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Brief (Transkript)

Familie F. aus Salzkotten an Familie H. nach Leipzig am 21.12.1982

 

Salzkotten, den 21.12.1982

Liebe Frau H., lieber Herr H.!

Obwohl unser Brief Sie bis Weihnachten nicht mehr erreichen wird, wollen wir vor dem Fest unsere Dankesschuld an Sie noch abtragen. Wir bedanken uns sehr herzlich für den Breif vom 24.9. und das schöne Weihnachtsbücherpaket. Die Bücher sind doch gewiß recht teuer, Sie haben unseretwegen große Ausgaben gehabt. Die Bücher berühren meine Interessenssphäre und darum freue ich mich natürlich sehr darüber. Inzwischen werden Sie und Ihre Kinder die Freuden und auch die Anstrengungen des Festes hinter sich haben. Bei den Kindern überwiegt die Freude, bei den Eltern sind die Vorbereitungen zm Fest auch anstrengend. Hoffentlich ist unser Päckchen für Sie rechtzeitig angekommen. Meine Frau meinte, die Süßigkeiten wären vielleicht nicht so wichtig für die Kinder, sie hat deshalb etwas Wolle ins Paket gegeben zum Stricken. Sie ist sich nicht sicher, ob die Menge für ein Kleidungsstück reicht. Falls nicht, bitte schreiben Sie uns, wir schicken dann nach.
Meine Frau und och wenden zu den Feiertagen wohl zuhause bleiben und in Ruhe und Besinnlichkeit das Fest begehen. Wenn es etwas Schnee und Frost geben würde, wäre es schön. Im Augenblick haben wir regelrechtes Novemberwetter.
Lieber Herr H., jetzt darf ich wohl auf Ihren Brief eingehen. Sie schrieben zu dem Regierungswechsel in Bonn. Das Auseinanderbrechen der alten Regierung hatte ja verschiedene Ursachen. Man kann diese Dinge nicht emotionell sondern nur ganz nüchtern betrachten. Selbstverständlich ist ein Partnerwechsel nicht ideal, und ich glaube auch nicht, daß die FDP im neuen Bundestag vertreten sein wird, da, wie die Hamburger Wahl gezeigt hat, ganz andere Motive den Wähler beherrschen, als die Politiker sich diese ausrechnen. Die alte Bonner Koalition hat an und für sich bis zu einem gewissen Zeitpunkt ganz gut funktioniert. Die von den USA beeinflußte Weltwirtschaftskrise hat unserer Stabilität tiefe Wunden geschlagen. Sie wissen, wir sind ein Land, das vom Export guter Erzeugnisse lebt. Durch die hohe Stabilität der DM und die hohen Herstellungskosten sind wir auf dem Weltmarkt nicht mehr voll konkurrenzfähig. Die Folge sind hohe Arbeitslosenziffern, Staatsverschuldung und der Niedergang ganzer Wirtschaftszweige. Die FDP glaubte, die Verantwortung an dieser Talfahrt nicht mehr mittragen zu können. Wenn Sie das Wohlstands- und Anspruchsdenken der Bundesbürger kennen würden, dann könnten Sie sich vorstellen, daß diese nicht gewillt sind, Einschnitte in das soziale Netz hinzunehmen. Der Markt sitzt bei uns voller Waren, aber der Absatz ist nicht mehr gesichert. Ich selbst halte eine Bundestagswahl am 6. März 1983 nach dem Grundgesetz für sehr umstritten. Die jetzige Bundesregierung sollte zeigen, ob sie den Karren bis zum Ende der Legislaturperiode 1984 aus dem Dreck ziehen kann oder nicht. Meiner Ansicht nach müßten sich alle Parteien zusammensetzen, um die Staatsverschuldung auf ein Minimum zurückzudrehen um die Wirtschaft wieder konkurrenzfähig zu machen. Wie der Arbeitslosigkeit aufgrund rasch fortschreitender Technologie und Rationalisierung beizukommen ist, weiß ich nicht.
Lieber Herr H., ich bin auf Grund Ihres Briefes eigentlich überfordert, wie sich Ihre augenblicklichen beruflichen Tätigkeiten in das Prinzip eines sozialistischen Staates einordnen lassen. Wenn Sie diesen Tätigkeiten bei uns nachgehen würden, wäre dies das Selbstverständlichste von der Welt. Ich hoffe aber, daß Sie mit dieser Wahl und Möglichkeit das Richtige getroffen haben, zumal es ja Ihrer Vorstellung entgegenkommt. Ihre liebe Frau ist ja nun auch wieder voll beruflich tätig, mit allen Belastungen, die der Alltag mit sich bringt. Sie werden wahrscheinlich alle Dinge gut koordinieren müssen.

Wie wir jetzt von unserem Pastor wissen, wird er zur Frühjahrsmesse nicht nach Leipzig fahren, zumal er sich jetzt stark an unserer Patengemeinde in Ost-Berlin orientiert. Wir haben evt. folgendes vor: Um Ihre Frau nicht mit unserem mehrtägigen Aufenthalt zu belasten, würden wir uns in Wurzen in einem Hotel anmelden und Sie von dort aus in Leipzig besuchen. Würden Sie uns bitte mitteilen, wann die Messe stattfindet? Wir hoffen, wegen des Hotelzimmers keine Schwierigkeiten zu haben.

Nun wünschen wir Ihnen und Ihren Kindern für das Neue Jahr Gesundheit, Freude, Erfolg und Zufriedenheit!
Es grüßen Sie alle recht herzlich
Ihr Hermann F. und Frau

 

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