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Brief (Transkript)

Oskar H. aus Meckenheim an Frau S. nach Zittau am 21.12.1974

 

Oskar H. 5309 Meckenheim, den 21.12.74.
[Straße und Hausnummer]



Sehr geehrte Frau S.!

Durch Ihre Berichte über die Krankheit Frau P.s und schließlich durch Ihren letzten Brief haben Sie uns sehr glücklich gemacht. Ich bin nicht traurig. Wie sollte ich auch angesichts eines solchen Todes. Ich bin wirklich glücklich.
Sie müssen wissen, daß ich Frau P. kennengelernt habe als ich 16 Jahre war. Mein Vater war aus dem Rheinland nach Zittau versetzt worden. Ich war Schüler eines humanistischen Gymnasiums gewesen. Darum gab es für mich gar keine Wahl. Aber ich mußte meine Zweitsprache von Französisch in Englisch ändern. Das war für mich, da ohne besondere Sprachbegabung, eher kann man vom Gegenteil reden, sehr bitter. Ich begann bei Frau P. Seitdem sind unsere Kontakte nie abgerissen.
Sie und ihr Mann haben mir gezeigt, daß man Dinge frei und kritisch betrachten kann, daß man sich ein eigenes Urteil bilden kann auch gegen oder unabhängig vom allgemeinen Trend.
Dazu kamen Festigkeit und Treue, die mir immer imponiert haben. Und schließlich die Nüchternheit, die alle falsche Romantik sehr schnell entzauberte.
P.s – in der Bermittlung von Frau P. – haben an allen wesentlichen Entscheidungen in meinem Leben mitgewirkt, wenngleich ich sie kaum jemals um Rat gefragt habe.
Frau P. war meine Freundin, die mich bis in ihren Tod nie enttäuscht hat. Wie sollte ich über Ihren Bericht nicht glücklich sein?
Sie selbst war ja beim letzten Besuch hier über jede Kleinigkeit, die ich ihr zeigte oder antat so glücklich, wie ich kaum je einen Menschen erlebt habe. Sie war richtig jung. Sollte sie jetzt nicht glücklich sein? Das wäre kaum logisch!
Ich danke Ihnen für Ihre Sorge um sie und mich.


G. H.

 

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