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Brief (Transkript)

Marie Louise P. aus Zittau an Oskar H. nach Meckenheim am 26.12.1970

 

88 Zittau, den 26. Dezember 1970.
[Straße und Hausnummer]

Liebe Frau Anneliese, lieber Oskar,
Ihr lieber Brief, Frau Anneliese, kam g stern und war mir eine besondere Freude, denn wir waren doch recht einsam, und da freute man sich ganz besonders ( excuse the tautology ) über einen Gruss. Ich komme eben aus der Kirche sie war heute, wie auch am 24. abends, recht kalt, es gibt zwar eine sognannte Heizung im Altarraum der Klosterkirche, aber sie scheint kein Erfolg zu sein, Meine Hände sind so klamm, daß ich mich noch mehr vertippe als sonst. –
Ja, ich stamme nicht aus der Zeit, in der der Atheismus mehr oder weniger vorherrschte, dafür herrschte die Gewohnheit, das Konventionell-Traditionells vor. Was nicht immer ganz so schlecht ist, wie man es hinstellt. Auch eine Gewohnheit kann gut sein, und sie kann ein Schutz gegen manches Schlimme sein. Gewiss können Gebete und Riten mehr oder weniger mechanisch werden, aber dann kommt doch plötzlich ein Augenblick, in dem ihr wirkliches Leben, ihre wirkliche Bestimmung ganz klar wird. Ich weiss, daß einmal unsere englische Erzieherin abends mit mir betete, was sonst meine Mutter tat, vielleicht war sie nicht da. Sie, Miss B., unterbrach mich: So darfst du nicht beten, das ist nur ein plappern. Du musst immer daran denken, daß Du mit dem lieben Gitt redest. Und es wurde mir, für den Augenblick zum mindesten, klar war es heissen kann, beten, Was ich nicht immer kann, Man ist sehr schwach. –Es freut mich, dass die Erinnerungen an meine Schulzeit in England Sie nicht langweilen; ich glaube, ich war zum Abend des Ankunftstages gekommen. Morgen, wurde man geweckt, durfte um ein halb sieb aufstehen, und musste es um 7. Um ein halb acht Uhr was Frühstück, man ging in den grossen Speisesaal, wo unsere Hauslehrerin – House Tutor, - Miss M. am Ende des Tisches stand. Man gab ihr die Han,d und setzte sich an denselben Platz wie am vorhergehenden Abend. Es gab Tee oder Kaffee, und stets ein warmes Gericht, entweder porridge den ich nie ass, oder was andere, von den jüngeren Mäschen von der Anrichte ergbracht.* Dann fingen an sich um 8 Uhr die Arbeitsstunden an, aber heute, am ersten Tag, hatte noch niemand etwas zu tun, und man stand herum schwatzte und holte die Bücher hervor. Ich hatte natürlich noch gar nichts. Crab, das dicke Mädchen, ging mit mir zur Papier Ausgabe, wo man das Schulbriefpapier bekam, Hefte ( für xie verschiedenen Fächer die verschiedenen Farben, ich verbinde Geometrie immer mit grün und Algabra mor rot, und Französisch mit dunkelblau. Um drieviertel neun ging es in die gross Aula, Big School genannt, etwa dreimal so gross wie die im Zittauer Neuen Gymnasium. Am einen Ende war ein Podium hier stand Miss D. an ihrem Lesepult, und hinter ihr die 30 bis 40 Lehrerinnen. Nur die Klassenlehrerinnen standen entlang der einen Längswand und wir, die ca 240 Mädchen, standen Klassenweise mit dem Gesicht zum Podium. Die jüngsten Mädchen, IV 1 und IV vor. Die anderen Klassen ( es waren 5 im Ganzen, aufst steigend, Lower V, Vth. Lower VIth und VIth, jeder ausser der VI mit einigen Unterabteilungen.) wussten ja ihre Klassenordnung, aber wir Neuen nicht. Die Lehrerin hatte eine Liste der Namen, und verlas sie, und wir stellten uns an, und waren endlich fertig, vie später als die anderen, Ich war etwa die 6 oder 7 in IV 1. Dann spielte die eine Klavierlehrerin am Klavier einen Choral, - the school hymn, A & M. 242. Through the night of doubt and sorrow, - dann verlas Miss D. mit ihrer sonoren Stimme die Lesung des Tages, und dann kniete man zum Vaterunser. (Mein Schwager M. hat mir immer recht gegeben, es ist schade, daß das Knien in unserer Kirche nichtausgeübt wird.) Und dann ging alles an die Tagesarbeit. Wir wurden von einigen der älteren Mädchen, zu diesem Zwecke abgeordnet in ein Klassenzimmer im angebauten Flügel, im ersten Stock gelotst, und saßen dort, starrte einander an und kamen uns recht dumm und fremd vor. Ich war die einzige Neue aus meinem Hause, und saß zwischen zwei ganz fremden Mädchen aus anderen Häusern. Eine, die aus der Vorschule. Godstoew, übergewechselt war, saß als Klassenerste. Dann kam Miss R. our form mistress … Sie war nicht ganz jung, rundlich und freundlich. Sie hielt uns eine kleine Rede. Ihr kommt, die meisten von Euch zum ersten Mal in ein Internat, Viele wird euch fremd anmuten. Schaut euch um, und ihr werdet bald sehen, wie alles geht. Es gibt ganz wenig Regeln, aber denen müsst ihr gehorchen. Denkt daran, daß eine jede von euch mit ve antwortlich ist für das Gedeihen für die Ehre der Klasse, des Hauses, der ganzen Schule. Ihr werdet manches lernen, was ganz neu für Euch ist, Latein und Algebra und Geometrie. Und vielleicht denkt ihr, ihr werdet doch die Verben und die Regeln vergessen, wenn ihr die Schule wieder verlasst. Aber eines braucht ihr nie zu vergessen, wenn Ihr es Euch zum Eigentum gemacht habt, wird es Euch immer gehören Und das sind die Fähigkeiten, die ihr hier übe und ausüben sollt, die Fähigkeit der Einbildung und der Kritik ( your powers of imagination and of criticism.) Das braucht und dürft ihr nie vergessen. (And, to do her justice, I have never forgotten it.) Dann begann sie, uns von dem Dichter Scott zu er zählen und sagte, wir würde aus einem seiner erzählenden Gedichte, etwas lesen, Wir sollten durch unsere House tutor das Buch, the Lay of the Last Minstrel, bestellen, und bis zum nächsten Stunde die Zeilen so und so gut durch lesen, und alles nachschlagen, war wir nic wussten, Dann war es um zehn, und die näch ste Lehrerin kam. Das war Miss M. Lebhaft und abrupt, gab sie Mathematik. Also heute zunächst Arithmetik. Da ich noch nicht weg hatte, daß di Zeichen für Multiplizieren und dividieren nicht dieselben um Englischen sind wie im Deutschen, war ich vollständig aufgeschmissen, absolutely at sea. Und wagte natürlich nicht, zu fragen. Auch sie sagte, wir sollte gewisse Bücher durch die Hauslehrerin bestellen, und gab uns eine Anzahl Aufgaben bis zur nächsten Stunde. Und ich verstand, da die Tage lässiger Faulheit meiner Zittauer Schulzeit vorbei waren, Um dreiviertal elf war die Stunde zu Ende. Draussen wartet ein Mä chen aus dem Haus auf jede von uns, Sidney, lang und hager mit vielen Sommersprossen, wartete auf mich, Wir gingen ins Speisezimmer wo es Kakao oder warme Milch gab, dazu trockenes Brot. Aber es schmeckte herrlich, und alles war formlos, man stand herum und unterhielt sich. Eleanor, die mit den roten Haaren sah mich, „Na, wen hast du denn als Klassenlehrerin erwischt? Old Reidy? Da hast Du Glück, Die ist nett. Wir haben Miss B. und ich kann sie nich ausstehen, und sie mich nicht. Hoffentlich hast ein bischen was in deinen Kopf gekriegt.“ Ich dachte am Mary P., und sagte nur freundlich, Ja, das hoffe ich auch, es muss schrecklich sein, einen leeren Kopf zu haben. Dann um elf Uhr. nahm mich Sidney in ein anderes Klassenzimmer im Erdgeschoss. wo Misy B. auf uns wartete. (Sidney war eine Klasse über mir.) Wieder saßen wir herum lauter neue Mäschen, obwohl wir uns nun schon den beiden anderen Stunden gesehen hatten, Miss B. war eine ausgezeichnete Lehrerin, sie gründete später, als Wycombe Abbey so sehr gewachsen war, daß es keine Schülerinnen mehr aufnehmen konnte mit einer anderen zusammen die Tochterschule, Benenden in Kent, (Das ist die Schule, die von Princess Ann besucht worden ist, Wycombe kam leider nicht in Frage, da es in der Nähe einer Stadt lag. Es war vielleicht auch ganz gut, daß wir sie, Princess Ann, nicht hatten, denn die Engländer sind fürchterliche snobs.) Wieder wurden wir allerhand gefragt, und man trug uns auf, einige Bücher, einer Grammatik und ein leichtes Lesebuch, zu bestellen. Um 11.45 war die Stunde zu Ende, für uns aber nicht der ganze Vormittag. Ich ging zurück ins House Study, und, da ich noch keine Bücher hatte, und also die Aufgaben nicht anfangen konnte, saß ich nur da und begann, einen Brief nach Hause zu schreiben, Plötzlich stiess mich jemand unter dem Tisch an. Es war Erica, mit den fast weissen Haaren. die mir gegenüber saß. Und wie ist es dir ergangen? Es ging alles ganz gut, sagte ich, aber ich habe so viele Aufgaben, und kann doch nichts anfangen, weil ich die Bücher noch nicht habe. „Macht nichts, Miss M. wird bald kommen, und dann kannst du sie bestellen.“ „Erica, Stopp talking,“ sagte eine Stimme aus de Nähe des Mittelfensters Das war Mary Dove, eine Nichte der Vorsteherin. Erica senkte den Kopf. „Wo „Wir dürfen eigentlich nicht reden, aber wenn man vor sichtig ist, geht es doch, Wenn hast du denn in Mathe“ Aber ehe ich antworten konnte, ging die Tür auf, und Mary Pears kam herein, Sie war nicht monitor vom Dienst das war Mary Dove, aber sofort war die ganze Atmosphäre eine andere. Erica hörre auf kleinen Männchen in ihr Latinbuch zu zeichnen, und das Kichern und Flüstern am anderen Tisch, wo Phyllis Hooke Pruedence Bolton und Sidney saßen, hörte auf. Es war äusserst eindrucksvoll. To be continued in out next.
Also, bitte entschuldigen Sie, aber es ist so schön, zu deken daß es jemanden interessiert, - und wenn es Ihnen zu viel ist, nehmen Sie es zum Feuer anzünden, aber das brauchen Sie ja nicht. – Wir haben nun alles ausgepackt. Und ich frue mich sher über die Schürze und die Tasche und auch über alles andere.
Ihnen allen die herzlichsten Grüsse. Ihre
Marie P.

*Speck, ein Eigericht, Fisch

 

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