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Brief (Transkript)

Heinz Rahe an seine Ehefrau am 12.11.1942 (3.2002.0985)

 

Nr.66

den 12. November 1942



Meine liebe Ursula!

Zum Frühstück Schmalz und Frischwurst, Marmelade im Übermaß und gutes Vollkornbrot, dazu heißen Milchkaffee, dann soll noch einer sagen, daß es mir schlecht geht. Außerdem kamen gestern zwei Briefe von Dir vom 22. und 27.10. und ein wunderbares Päckchen aus Geslau. Das Dextropur schmeckt ausgezeichnet, direkt nach "mehr". Am schönsten waren natürlich die Plätzchen, die ich fast ganz aufgegessen habe.
Solche Genüsse kommen ja zu gelegen, als daß man sie lange aufheben könnte. War übrigens nur ein "Stern" in dem Päckchen? Einen zweiten fand ich nämlich nicht. Da ich kürzlich einen verlor, paßte es jetzt ganz gut. Nun habe ich wieder ein volles Paar.
Ist es nicht seltsam, wie oft sich die Gedanken begegnen? Einen Tag bevor Deine Anfrage kam, machte ich eine Aufstellung, wen man mit einer Anzeige beglücken müßte. Es sind meinerseits 20, die ich zusammenstellte. Außerdem steht es ja in der Zeitung. Da kommt als Zeitung zunächst natürlich Eure Hamburger in Frage, wohl das Fremdenblatt? Als zweite die Gifhorner Zeitung, die für Heiligendorf zuständig ist. Als dritte die Magdeburgische Zeitung, das in unserer Division weit verbreitete Käseblatt, und vielleicht das Osnabrücker Tageblatt. Dann haben wir ja wohl jeden, den es angeht, erfaßt. Nun zur Form der Anzeige: ich habe mir daraufhin mal einige Anzeigen angesehen. Von wegen "erstes Kind" kommt nicht in Frage, das sieht nach Vierjahresplan aus. Daß Du vor mir erscheinst, ist mir zu modern. Wenn ich auch die Sache aus einer gewissen Entfernung miterlebe, so soll ich doch schließlich das Familienoberhaupt sein. Höflichkeit gegenüber dem weiblichen Geschlecht muß sein, aber dies kommt mir dann doch ein bißchen amerikanisch vor. So kam ich denn zu der Fassung, die ich Dir zusende. Unter den Anschriften fehlen noch der Bataillons- und Regimentskommandeur. Aber da weiß ich ja noch nicht, was sich bis dahin verändert. Büschleb ist dann sicherlich nicht mehr da. Außerdem würde er auch keine Anzeige von mir bekommen. Die Anzeige muß in hübscher gotischer Schrift, ähnlich der Rudolf-Koch-Schrift, abgefaßt sein.
Mit Jochen als drittem Paten bin ich natürlich sehr zufrieden. Weißt Du, wenn ich mich jetzt mit Peter viel herzlicher stehe, so liegt das daran, daß wir uns in den letzten Jahren sehr viel öfter gesehen haben. Außerdem schreibt Jochen meist so sehr kurze Briefe, und er schreibt selten. Peter schreibt häufiger und ich natürlich auch.
Daß Peter und Lisel sich ein Bild kauften, freut mich sehr. Sag mal, ist Peter denn Großkapitalist geworden? Er muß sich danach finanziell ja weit besser stehen als wir. Aber könnten wir uns auch solch wertvolles Bild und Elternporträts leisten? Wie stehen denn eigentlich unsere Finanzen? Ich habe ja keine Ahnung davon. Schreib es mir doch mal!
Eine Fellweste für Jochen kann ich leider nicht besorgen, da wir nur heereseigene haben. Aber sicherlich empfängt Jochen sicherlich genau so wie wir Winterbekleidung. Da könnt Ihr ganz unbesorgt sein, das klappt sehr gut in diesem Jahre. Schließlich hat man ja auch etwas hinzugelernt. Die Winterschwierigkeiten werden nicht entfernt so wie im vorigen Jahr sein.
Schade, daß ich bei Peters Ordination nicht zugegen sein konnte. Mir scheint, die Hamburgische Kirche sorgt besser für ihre jungen Pastoren als unsere Hannoversche. Meine Ordination war denkbar wenig festlich, sie fand ja wohl in Fallingbostel statt. Ich hatte damals den Eindruck, daß es lediglich ein juristischer Akt oder ein kirchenregimentlicher wäre. Mit Amt und Gemeinde hatte es wenig zu tun. Wie schön wäre es gewesen, wenn sie auf der Hütte stattgefunden hätte.
Vorgestern war ein Tag der Hiobsbotschaften. Da kam die Nachricht von der Landung der Amerikaner in Oran, von der Aufgabe Marsa Matruks und in unserer kleinen Lage war es ähnlich. Der Kampf um O muß doch wohl recht schwer sein. Er hat schon allerlei Opfer gekostet. Die Ungewißheit der Lage bringt irgendwie eine innere Unruhe. Man wartet auf eine Entscheidung, die aber doch noch nicht fällt. So komme ich eigentlich nicht recht in den Genuß der Ruhe, die ich jetzt habe. Richtig zur Ruhe gelangt man wohl erst, wenn wir eine neue Winterstellung haben. Hoffentlich läßt sie nicht mehr zu lange auf sich warten. Heute ist wieder solch recht naßkaltes Wetter. Da fühlt man sich in seiner Haut nicht wohl. Aber wie geht es erst denen, die vorn eingesetzt sind! Vorhin erzählte unsere Alte, die Bolschewisten wären wieder nähergekommen. Vor ihnen hat sie große Angst. Sie machte ein Zeichen, daß es ihnen dann an den Kragen gehe. So gilt wohl für diese Bevölkerung schon jetzt das Wort „mitgefangen – mitgehangen“.
Heute Mittag soll es Kohl geben. Hoffentlich bringt Schulz welchen. Er ist nicht sehr geeignet zu solchen Botengängen. Scheußlich sind solche ungeschickten Landser! Jetzt kommt er gerade mit ein paar kleinen Köpfen an. Da kann das Kochen wieder losgehen. Das wird ja ein Festessen! Darauf freue ich mich schon jetzt. Dann brauchen wir die abscheulichen Nudeln nicht zu essen, die wir gestern empfingen. Du siehst, jeden Tag Nahrungssorgen! Es kommt ein tüchtiges Stück Rindfleisch hinein, dann stimmt die Richtung.
Recht, recht innigen Dank für Dein schönes Paket.
Mit den herzlichsten Grüßen
Dein Heinz

 

 



Ansicht des Briefes

 

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