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Brief (Transkript)

Heinz Rahe an seine Ehefrau am 22.07.1941 (3.2002.0985)

 

22.7.1941



Meine geliebte Ursula!

Heute früh nur einen kleinen Gruß! Gleich geht nämlich die Post fort. Du sollst doch wenigstens ein kleines Zeichen meiner Liebe erfahren. Dieser Tage regnet es ununterbrochen. Kaum ist der Himmel mal ein wenig heller und die Wege sind abgetrocknet, da geht es schon wieder los mit einem gewaltigen Regenschauer. Gestern habe ich zum ersten Male seit sehr langer Zeit wieder Skat gespielt. So sucht man die Zeit totzuschlagen. Der Graf nahm mich gestern nämlich nicht mit. Gestern Abend bei strömendem Regen erschien hier ein Oberst mit seinem Adjutanten. Sie erzählten, wie apathisch die Kradschützen u.a. seien nach diesen Regentagen, in denen sie in ihren Löchern gelegen haben, oftmals fast ohne Essen. Der Oberst zog sich bald zurück, nur sein Adjutant blieb. Zunächst saßen wir bei einer Flasche Kognak beisammen. Es wurden verschiedene Herren angepflaumt, besonders vom Oberfeldarzt in seiner sehr humorvollen Art. Dann wurde es auf einmal ernster. Der Hauptmann entwickelte seine Gedanken über diesen Feldzug und die weiteren Möglichkeiten gegenüber England. Er scheint ein kluger Denker zu sein. Alles war logisch und sachlich, vieles übrigens deckte sich mit meinen eigenen Ansichten. Mir war es sehr wertvoll, so mal von einem anderen vorgetragen zu hören, was man selbst irgendwie fühlt. Hinterher allerdings waren viele entrüstet über seine nüchterne Art, sie meinten, man solle das Denken nur den berufenen Leuten überlassen, es führe doch zu nichts, da es ja stets besser komme, als man vorher angenommen. Darüber schien man sich allerdings einig zu sein, daß unsere Presse in der Heimat schon um den 1. Juli wohl reichlich optimistisch geschrieben habe, sodaß vielleicht die Heimat von den Ernst dieses Feldzuges wenig ahne. Doch das ist ja nicht unsere Sache, darüber zu urteilen. Mir persönlich war das Stündchen bei Kerzenlicht in der ukrainischen Schulstube sehr wertvoll.
Jetzt sitzen wir wieder hier. Es ist früh morgens und wir warten auf unser Milchsüppchen, das es heute geben soll. Augenblicklich scheint es draußen etwas abzutrocknen. Ob ich in den nächsten Tagen etwas Post von dir bekomme? Ich warte sehnlichst darauf.
Ich grüße Dich recht innig, meine liebe kleine Ursula!
Dein Heinz

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Warum – wozu?

Das Land ist voll von Kriegsgeschrei,
es toben die lärmenden Waffen!
Warum, wozu?
Hast Du, Herr, dies alles geschaffen?

Das kann doch nicht dein Wille sein,
du bist doch der Vater der Liebe!
Warum, wozu
Beherrschen die Welt finstere Triebe?

Der Satan führt sein Zepter hart,
Er feiert die größten Triumphe
Warum, wozu
Erstickt fast die Menschheit im Sumpfe?

Du, Vater, kennest der Menschen Not,
Du verkündigst dein göttlich Erbarmen,
Warum, wozu
sind wir noch in Satanas Armen?

(Juli 1941)

 

 



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