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Brief (Transkript)

Heinz Rahe an seine Ehefrau am 10.09.1940 (3.2002.0985)

 

Kaidling, den 10.9.40



Meine geliebte Ursula!

Nun sollst Du sofort Nachricht von mir erhalten, nachdem ich die dienstlichen Angelegenheiten – mehr schlecht als recht – erledigt habe. Doch nun will ich der Reihe nach erzählen. Unsere Abfahrt mit ihren Hemmnissen hast Du ja zur Genüge miterlebt. Ich war bis obenhin geladen, aber zum Teil habe ich selbst wohl auch einige Schuld daran gehabt, weil ich mich nicht in genügender Weise um den Transport am Vortage gekümmert hatte. Die Kunst besteht für einen Führer ja immer darin, Befehle richtig zu verteilen und etwas schnell und gut zu organisieren. Doch das interessiert Dich ja wohl nicht so übermäßig. Wir machten vor Aken, wie vorgesehen, das erste Halt. Dabei stellte ich fest, daß schon eine Reifenpanne gewesen war. Bei dem Weitermarsch sollten sich dann die Pannen und dergleichen noch häufen. In Dessau machte ich einen kurzen Abstecher zu Frau Nehring, die ich kurz begrüßte. Ihr Mann ist bisher noch nicht fort gewesen. Herr Eggeling hatte zuletzt aus Frankreich geschrieben, und Frau Nehring war ganz die alte. Es war nur ein ganz kurzer Stip gewesen. Frau Nehring läßt Dich natürlich recht herzlich grüßen. Sie bedauerte, daß Du sie nicht mal von Calbe aus besucht hast. Hinter Wittenberg machten wir eine Rast von ? Stunde etwa und dann eine große vor Riesa. Dort stellte ich fest, daß ein Fahrzeug ganz ausgefallen war, es mußte nach Calbe abgeschleppt werden. Außerdem kam der Tankwagen nicht ran. Nach langem Warten fuhr ich nach Riesa, um dort zu versuchen, Sprit zu bekommen. Als ich mit Aussicht auf Sprit zurückkehrte, war der Tankwagen noch gekommen. So zogen wir mit einiger Verspätung weiter über Meißen, Dresden. Inzwischen war das Wetter sehr schön geworden. In Dresden sahen wir überall die Spaziergänger, die wir voller Neid betrachteten. Kurz nach 7 Uhr landeten wir in Bautzen. Dort ließ ich halten, fuhr selbst mal kurz in die Stadt, die sehr hübsch ist. Wir gabelten uns einen Herrn auf, der uns die Gotenburg und einen wendischen Friedhof mit Klosterruine sowie den Dom zeigte. Es war ja nur ein sehr kurzes Durchlaufen. Als wir nun in Görlitz ankamen war es dunkle Nacht (¾ 9 Uhr). Dort erlebte ich drei Pleiten. Erstens bekamen wir nichts zu essen, zum andern konnten wir nicht dort auftanken, wohin wir verwiesen waren, und drittens waren einige Fahrzeuge nicht nachgekommen. Von diesen lag eines in Dresden fest, andere trieben sich irgendwo herum. Dummerweise hatte ich den Marschweg nur bis Görlitz gegeben, so daß ein Krad bis jetzt spurlos verloren ist, was mir, wenn auch schonend, die nötige Ermahnung des Kommandeurs eingebracht hat. In Görlitz telefonierte ich eifrigst, bis es mir schließlich gelang, bei einer Kaserne Kraftstoff zugesagt zu bekommen. Natürlich habe ich dabei auch Fehler gemacht, indem ich mich nicht gleich an die höchste Stelle wandte. Man ist ja so leicht zu schüchtern, natürlich stets am falschen Platze. Bis ich das im militärischen Leben verlernt habe, mag wohl noch geraume Zeit dauern. Ich bin vielleicht doch zu lange im Mannschaftsstande gewesen, so daß ich die Scheu vor mittleren und höheren Offizieren noch nicht verloren habe. Bis nun das Auftanken erledigt war, war es bald Mitternacht. Glücklicherweise fanden wir in der dortigen Kaserne ein Strohquartier – ich sogar ein Bett, das allerdings von Flöhen bewohnt war.
Am nächsten Morgen starteten wir gegen ? 8 Uhr, wobei wir zwei Kräder in Reparatur geben mußten. Der Marsch ging nicht über Friedland, sondern über Zittau – D. Gabel. Die Landschaft war sehr hübsch, mir teilweise von der Fahrt mit Werner bekannt. Da ich mit Friedland gerechnet hatte, war es schwierig, den Feldwebel Niendorf, den ich am Tage zuvor als Quartiermacher weggeschickt hatte, heranzubekommen. Ich habe ihn schließlich in –Prag getroffen!
Die ganze Strecke von Zittau bis Weißwasser (Protektorat) war ganz wunderhübsch. Anfangs hatte es geregnet, doch nachher wurde es heiteres Wetter, gegen Mittag sogar sonnig. Im Protektorat wurde es dann eintöniger, die Landschaft flach, es fehlten die herrlichen Wälder. Nur die Dörfer waren durchaus nicht häßlich und schmutzig, sondern meist gut in Farbe. In dieser Beziehung bin ich sehr überrascht. In Mitteldeutschland gibt es teilweise viel ungepflegtere Dörfer als in der Tschechei. Ich habe darin einen sehr günstigen Eindruck empfangen. Kurz nach der Grenze fuhr ich vor, um in Nimburg zu telefonieren, damit ich diesmal mit dem Sprit keine Pleite erlebte. So klappte es denn auch mit der Bestellung sehr gut. Die Tankstelle lag weit von der Marschstraße, aber die Verbindung war da.
Kurz hinter Nimburg machten wir Rast und tankten auf aus unseren Wagen. Dann beging ich den Fehler, daß ich mich von den Wegweisern wie von Magneten anlocken ließ. Ich gab die Abmarschzeit und fuhr selbst nach Prag. Das war eine große Dummheit, jedenfalls schien es so. Die 50 km fuhr ich in ziemlich scharfen Tempo. Wir kamen zunächst durch Industrievororte und sahen von Ferne im Nebel oder Stadtdunst den Hradschin liegen. Schließlich landeten wir auf dem Altstädter Ring, der sehr hübsch ist in seiner baulichen Anlage. Dort ist das Rathaus, eine alte Kirche und ein schönes barockes Palais. Leider reichte die Zeit nicht, Näheres zu erforschen; denn für ganz Prag hatte ich nur eine Stunde vorgesehen. Vom Ring aus fuhren wir zur Moldau und genossen den Blick auf den Hradschin. Dann fuhren wir hinauf, stiegen aus und besichtigten den Dom. Wenn man vom Hradschin raufkommt, liegt vorderhand das Gebäude von Neurath. Dann geht man durch Tore und zwei Schloßhöfe, bis man zum Dom und einen Hof gelangt, an dessen Seite der Residenzbau Hachas liegt. Er ist also wie ein Gefangener im Käfig. Der Dom ist groß und weit, im Chor liegen böhmische Könige begraben, im Chorumgang ist ein prächtiges Grabmal, in Silberarbeit, für Johann Nepomuk. Sonst haben wir nicht viel mehr gesehen. Vom Hradschin aus fuhren wir über die einzig schöne Karlsbrücke und wieder in das Stadtgewühl, kreuz und quer. Die Stadt ist sehr gepflegt, hat schöne Straßen und Plätze, viele barocke Bauten und Kirchen. Nach einer Stunde suchten wir nun den Ausgang nach Iglau. Wir wendeten uns an unzählige Schupos, die aber alle nur sehr wenig Deutsch verstanden und uns nun kreuz und quer durch Prag jagten. Es ist scheußlich, wenn man sich nicht verständigen kann und keine Auskunft bekommt. Ein tolles Irrfahren, das wohl eine Dreiviertelstunde dauerte! Dadurch verloren wir natürlich sehr viel Zeit, denn bis Iglau waren es 135 km. Kazmiercak fuhr gut, und ich ließ ihn allein fahren – von Wittenberg bis Prag habe ich meist gefahren.
Bald ging es in ein Gewitter hinein. Gegen 1/4 5 Uhr mußte die Kolonne in Iglau sein und um ? 5 Uhr verließen wir erst Prag! 135 km!! Ich kochte vor Fieber und Ärger. Allmählich glätteten sich die Wogen. Als wir in Iglau ankamen, hatte ich mich in das Unvermeidliche gefunden. Ich nahm an, daß die Kolonne zwei Stunden auf mich warten mußte. Ein entsetzliches Gefühl! Stell Dir vor, was die Leute denken mußten und auch dachten! Wie groß war daher meine Erleichterung, als ich bei der Kolonne ankam und erfuhr, daß der Tankwagen noch nicht da war! Nun hatten die Leute doch nicht meinetwegen warten müssen. Ich fuhr sofort zur Post zurück, um zu telefonieren. Dort hatte ich ein wenig Krach mit den Beamten, bis ich zu einer gehobenen Beamtin vorstieß, die aus Hamburg importiert war. Ich sprach sofort mit der Tankstelle und erfuhr, daß der Tankwagen unterwegs war, aber durch das Gewitter oder Sonstiges vielleicht verzögert war. Dann stellte ich die erste Berührung mit Schattau her. Als ich mit den Gesprächen fertig war, gab ich den Weitermarsch auf und suchte eine Kaserne auf, deren Truppe gerade abgerückt war. Dort kamen wir ganz gut unter. Gegen 10 Uhr fuhr ich mit Niendorf und kam nochmals in die Stadt, wo wir eine Kneipe ausfindig machten, wo wir "Selchfleisch" und Rote Bete bekamen. Dazu wurde ein wohlverdienter Schoppen getrunken. Heute früh rückten wir aus Iglau ab, also Dienstag; Iglau ist eine überwiegend deutsche Stadt, sämtliche Inschriften sind nur in deutscher Sprache, während man im allgemeinen im Protektorat alles nur zweisprachig findet, sämtliche Schilder, Aufrufe usw. Das Städtchen Iglau ist ganz hübsch, soweit ich das gesehen habe.
Inzwischen sind 24 Stunden verstrichen. Nun will ich schleunigst meinen Bericht fortsetzen. Von Iglau fuhren wir durch Mähren nach Znaim. Hier wurden wir von zwei Krädern empfangen, die uns einwiesen. Bei der letzten Rast kam der Major und ließ sich berichten. Das war der Anfang eines Dramas, das sich, wie ich fürchte, allmählich zu einer Tragödie auswächst. Ich warte augenblicklich auf einen Anruf vom Bataillon, um vom Major eine große Zigarre in Empfang zu nehmen. Wie ich soeben hörte, weiß der Major auch schon, daß ich in Prag gewesen bin. Darüber ist er natürlich erst recht in Rage, und das nicht ohne Grund! So ist mir diese leidige Fahrt jetzt noch mehr zuwider; ich komme mir vor wie ein ertappter Sünder auf einem verbotenen Pfade. Mir kann ja wohl nichts passieren, aber es ist mir peinlich genug. Wenn ich das man erst gut überstanden hätte! Nach unserer Ankunft bin ich gestern schon zweimal beim Bataillon gewesen. Der Kommandeur hat mir beim zweiten Male eine Mahnung gegeben. – Aber nachdem er nun von der Prag-Tour weiß, wird er, fürchte ich, sehr deutlich werden. Du kannst Dir vielleicht ein kleines Bild von meinem Seelenzustand machen.
Doch nun sollst Du von hier noch ein wenig hören: Ich wohne bei einem kleinen Bauern. Die Bevölkerung hier ist sehr arm. Größere Betriebe gibt es gar nicht, es sind alles ganz kleine Landwirte. Meine Schlafstube ist ziemlich primitiv. Das Ehepaar muß immer durch meine Stube hindurch, um in sein Schlafzimmer zu gelangen. Außerdem ist da eine Küche, in der die Leute wohnen. Zum Glück scheinen sie sehr sauber zu sein. Heute wurde mein Fußboden gründlich weiß gescheuert. Ich sage "weiß", denn Farbe oder Lack sind nicht darauf. Die Häuschen hier sind nur einstöckig und enthalten nur sehr wenig Platz. Eine Stube hier im Hause steht ganz leer, da der Schwamm in der Wand sitzt. Vielleicht mangelt es auch an Möbeln. Vielleicht kann ich Dir einen kleinen Eindruck verschaffen, indem ich Dir kurz das Anwesen beschreibe: Von der Straße gelangt man durch eine Toreinfahrt in einen kleinen Hof. Geradeaus befindet sich das wichtige Örtchen, dahinter der Dünger-Haufen und anschließend die Scheunen. Zur Linken ist die Tür zu meinem Schlafzimmer, drei Stufen hoch, durch die man zum ehelichen Schlafgemach und zu der leerstehenden Stube gelangt. Rechts neben meiner Tür, in einer Ecke, steht die Pumpe, deren Wasser jedoch nicht gut schmeckt, da die Pumpe rostig ist. Oftmals ist daher das Wasser braun. Dann kommt man in die Küche, in der ein eigenartiger, aber sauberer Herd steht. Ein Radio ist auch vorhanden. Es ist ganz entschieden das beste Möbelstück im Hause. Hinter der Küche befindet sich, glaube ich, nichts mehr. Nur zur Rechten, also zum Hofe, ist noch ein Raum mit Kannen, Gefäßen und ähnlichem, in dem jetzt ein Bett für meinen Burschen aufgeschlagen ist. Ob unter dem Dach noch irgendeine Räumlichkeit sich befindet, weiß ich nicht. Das ganze Anwesen ist sehr sauber geweißt, das Örtchen ist mustergültig sauber. Eigenartigerweise ist zwischen der Küche und den drei vorderen Räumen gar keine Verbindung. Man muß also stets über den Hof. Du siehst, es ist mehr als dürftig, was man hier vorfindet. Da ist es ja gänzlich ausgeschlossen, daß Du hierher übersiedeln kannst. So gern ich das auch sähe, es geht nicht. Das Dorf besteht fast durchweg aus ähnlichen Anwesen. Viel Platz haben sie alle nicht.

Heute ist nun schon Donnerstag, der 12. September.
Wie ich höre, geht die nächste Post erst morgen weg. Damit sieht es hier natürlich auch recht dürftig aus. Man lebt hier völlig abgeschlossen. Glücklicherweise hat mich gestern der Kommandeur nicht mehr kommen lassen. Hoffentlich verraucht sein Zorn allmählich. Ich bin ja bestimmt pflichtvergessen gewesen, indem ich nach Prag gefahren bin. Das hätte ich auf keinen Fall tun dürfen. Aber man ist ja nun mal leichtsinnig. Ich habe beim Kommiß schon soviel Verbotenes getan, daß es einmal ja schief gehen muß. Du weißt davon ja auch etwas zu erzählen. Ich kann mich jetzt ja maßlos ärgern, daß ich so sehr mich beeilt habe. Wenn ich langsamer marschiert wäre, dann hätte ich den ganzen Haufen eher beisammen gehalten. All der nachfolgende Ärger wäre mir erspart geblieben, vor allem aber das peinliche Gefühl, vor dem Major als Nichtskönner und Seitenspringer dazustehen. Doch all das "hätte" nützt nun nichts mehr.
Heute vormittag haben wir einen Marsch gemacht. Für Soldaten war es wenig: 18 km. Wenn ich natürlich mit zivilen Maßstäben rechne, so war es doch ein ganzes Ende. Immerhin, man merkte nicht viel davon. Wir marschierten nach Retz, einem kleinen österreichischen Städtchen jenseits der ehemaligen Grenze. Unser Ort liegt nämlich in dem 1938 von den Tschechen abgetretenen südmährischen Gebiet.
Es gibt hier im Dorf allerdings nicht eine tschechische Familie. Wir kamen vorbei an einem großen ehemaligen tschechischen Zollhaus, das damals heiß umkämpft war und schließlich im Innern ausgebrannt ist. Nun sieht es recht verwahrlost aus. Retz ist ein hübsches kleines Städtchen mit 4 Kirchen, die alle ganz seltsame Hauben auf den Kirchtürmen tragen. Überhaupt muten die Kirchen hier vielfach recht seltsam an. In Znaim ist es ähnlich. Dadurch mutet das Stadtbild ganz fremd an. Als wir gestern zum Schießen in Znaim waren, konnten wir die Stadt von einer Höhe aus liegen sehen. Doch das nur als Nebenbemerkung. Von Retz bogen wir ab und zogen schließlich vom Nachbardorf aus in Richtung Schattau. Dabei kamen wir durch sehr viele Weinfelder. Der Wein wird hier auf freiem Felde angebaut, also nicht nur an den Höhen. Aber in diesem Jahre sitzt herzlich wenig dran. Es scheint ein schlechtes Weinjahr zu werden. Am Rande eines Dorfes kamen wir an zahlreichen Weinkellern vorbei, die einfach in den Hang hineingetrieben sind. Dort in der Nähe besichtigten wir auch einen Tschechischen Bunker, der jedoch nicht ganz fertig geworden ist. In der ganzen Landschaft befinden sich zahlreiche ehemalige Bunker, die ja doch nie wirksam geworden sind. Von Schattau aus zogen wir hierher zurück.
In der nächsten Woche werde ich hoffentlich Kradfahrschule machen. Ich habe gesehen, wie nötig das ist, damit man sich von seinen Leuten nichts vormachen zu lassen braucht. Hoffentlich habe ich dadurch auch mal Gelegenheit, Znaim ein wenig kennenzulernen. Man kann ja nicht ewig in solch kleinem Kaff sitzen. Gern möchte ich mal des Sonntags nach Wien. Wie Hanse mir sagte, ist der Steffel sehr verschandelt durch Sandsäcke, die man wegen des Krieges draußen und drinnen aufgebaut hat.
Es tut mir sehr leid, daß Du nicht nachkommen kannst. Unter den augenblicklichen Verhältnissen ist es jedenfalls gänzlich unmöglich. Es besteht vielleicht die Möglichkeit, daß wir in eine landschaftlich schönere Gegend kommen, wie man sagt. Aber das ist ja noch völlig ungewiß. Vielleicht dann?
Nun möchte ich Dich bitten, diesen Brief nicht gerade der Allgemeinheit preiszugeben. Er enthält zuviel, was für mich beschämend ist. Es genügt ja, wenn Du im allgemeinen von meinen Erlebnissen berichtest. Hoffentlich bekomme ich nun bald mal von Dir Post. Was hast Du unterwegs erlebt? Wie war es in Eisenach? Ich rechne damit, daß Du nach Hamburg gefahren bist bzw. morgen mit Vater fährst. Hoffentlich kommst Du da nicht zu sehr in die Gefahrenzone! Ich nehme an, daß Du an einem Nähkursus teilnimmst und vor allem das Klavierspielen mit Macht betreibst. Du hast dazu ja wohl neben der Hausarbeit einige Zeit.
Übrigens hat mich Stadie bei unserer Ankunft in seiner wohltuend herzlichen Art begrüßt. Es sehnt sich so sehr nach Calbe zurück. Auch Dorit zieht ihn sehr zurück. Er erwartet sehnlichst Post von ihr. Augenblicklich hat er sehr viel zu tun, da er für den Kommandeur einen Ausbildungsplan ausarbeitet. Er ist ja als Fachmann von sehr großer Bedeutung. Sein Verhältnis zum Chef scheint nicht sehr gut zu sein. Er schimpfte am ersten Abend Mord und Brand über dessen Kleinlichkeit und Feldwebelmanieren, die er noch nicht recht abgelegt habe. Bütow ist ganz der alte. Er hat mich gestern belehrt, daß es in Deutschland nur einen Mann gäbe, der Reithosen anfertigen kann. Auch für Mützen und andere Uniformsachen gibt es nur einen Fachmann. Leider vergaß ich schon, wen er nannte.
Nun wünsche ich, daß Du, mein Lieb, in Hamburg nicht zu unruhvolle Tage hast. Hoffentlich lebst Du Dich nach diesen schönen Wochen wieder dort ein. In diesen Tagen habe ich schon sehr das Ende des Krieges herbeigesehnt! Meinetwegen könnte es heute noch nach Hause gehen. Mein Bedarf ist voll und ganz gedeckt. Auch auf Luzern [?] würde ich dann gern verzichten.
Nun leb wohl, mein Lieb. Es grüßt Dich von Herzen
Dein Heinz

 

 



Ansicht des Briefes

 

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