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Brief (Transkript)

Willi Betz an eine Bekannte am 29.4.1941 (3.2002.0257)

 

O.U., 29. April 1941.



Liebe Annerose!

Herzlichen Dank für Deinen letzten Brief!
Die Zeit vergeht so rasch, daß man fast nicht mehr mit kommt. Kaum war Ostern vorbei, dann kam auch schon der Führergeburtstag. Wir hatten anläßlich dieses Festtages einen großen Appell, abschließend eine große Parade mit Vorbeimarsch vor unserem Kommandeur. Es war herrlich bei schneidiger Marschmusik und strahlendem Sonnenschein wieder einmal einen Vorbeimarsch zu „klopfen“. Ich mußte dabei wieder Kompanieführer machen, da mein Chef die gesamte Parade anführte.
Die Natur ist hier auch schon sehr weit in den Frühling fortgeschritten. Die Bäume und Wiesen sind grün, Obstbäume, Kastanienbäume usw. blühen schon mächtig. Unwillkürlich wird man auch selbst von diesem Frühlingserwachen gepackt und etwas sehnsüchtig denkt man daran, wie herrlich und schön doch der Frühling in Deutschland ist. Ja, wie schön wäre es doch, wenn man nun zu Hause mit einem netten Mädel die wenigen Frühlingsstunden zu kleinen Spaziergängen oder zum stillen Stelldichein ausnützen könnte. Es ist doch so, daß wir beide bis jetzt unsere Spaziergänge nur immer bei Schneetreiben oder Regenwetter gemacht haben. Ich fühle und verspühre es jetzt noch viel mehr als sonst: So, wie der Frühling die schönste Jahreszeit des ganzen Jahres ist, so ist die Zeit der Liebe die schönste des Lebens. Auch Schiller schreibt in der „Glocke“ von der schönen Zeit der jungen Liebe. Liebe Annerose! Es ist mit nicht gegeben, mich hierrüber vielleicht in schwärmerischen Reden zu ergehen. Ich möchte Dir manchmal gerne mein ganzes Herz ausschütten, wenn dies nicht so unsagbar schwer wäre. Du hast meine Haltung Dir gegenüber bestimmt manchmal kalt und zurückhaltend empfunden. Ich kann das auch sehr gut verstehen. Gerade deswegen halte ich es für notwendig, Dir zu versichern, daß Dir, liebe Annerose, ganz alleine Dir meine Liebe gehört. Du wirst diese Zeilen wahrscheinlich als eine Anmaßung meinerseits betrachten. Nein, ich möchte nur damit zum Ausdruck bringen, daß diese scheinbar oder unscheinbare, undurchsichtige Wand, die noch zwischen uns bestehen kann, sich lichten möge. Ich glaube, wir sind beide alt und reif genug, uns etwas offener über solche Dinge unterhalten zu können. Schon einmal habe ich Dir damals, es war von Idar-Oberstein aus, ähnliches geschrieben. Daß Du darauf antwortetest, wir beide wären noch sehr jung, habe ich auch zu jener Zeit Dir gegenüber offen die Richtigkeit Deiner Ansicht zugegeben. Seitdem sind aber nun bereits wieder über 1 ½ Jahre vergangen. Wie Du ja weißt, sehe ich einen begangenen Fehler gerne ein und so bitte ich Dich, nun zu urteilen, ob ich heute wieder einen Fehler begangen habe. –
Eigentlich wollte ich mir heute Abend den Film „Carl Peters“, der gegenwärtig hier im Wehrmachtskino gegeben wird, ansehen. Die Tatsache jedoch, daß ich morgen in der Kompanie einen Vortrag zu halten habe, zwingt mich wegen der notwendigen Vorbereitungen hierzu, meinen Kinobesuch auf morgen zu verschieben. Seit 3 Tagen bin ich nun wieder der glückliche Besitzer eines netten, elf Monate alten Wachhundes, der mir sehr viel Spaß macht.
Hoffentlich macht Dir mein heutiger Brief nun keinen Ärger und Verdruß. Ich wünsche Dir im kommenden Wonnemonat Mai recht schöne, sonnenreiche Frühlingstage.
Nimm für heute meine herzlichsten Grüße
Dein Willy.

 

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