Nach Zeitraum suchen

von 
bis 
SUCHE ZEITRAUM
Bestandskatalog PDF

Brief (Transkript)

Heinz Rahe an seine Ehefrau am 22.11.1939 (3.2002.0985)

 

Dessau, den 22.11.1939


Meine geliebte Ursula!

Hoffentlich bekomme ich jetzt in dieser Mittagspause Post von Dir. Es ist bereits 8 Tage her, daß ich fort bin von zu Hause. Seitdem habe ich nichts von Dir gehört. Nun bin ich zwar durch Erfahrungen so klug geworden, daß ich mir über die Schnelligkeit der Postbeförderung keine trügerischen Hoffnungen mache – aber allmählich muß doch mal etwas überkommen, zumal Du doch zunächst nicht mit meinem Kommen am Sonntag gerechnet hattest. Oder sollte es Dir nicht gut gehen bzw. sollte es mit Mutter zu Schwierigkeiten geführt haben? Doch dann würdest Du mir doch erst recht darüber Bericht geben.
In diesen Tagen komme ich mir restlos überflüssig vor. Wie ich in meinem letzten Briefe schrieb, trug ich mich mit Urlaubsgedanken. Ich richtete ein Gesuch an die Kompanie und bat um Urlaub bis 30.11. Das hat der Chef mir abgelehnt, da kein Portepeeträger entbehrlich sei. Er ist selbst nicht recht unterrichtet über die Einteilung; denn tatsächlich habe ich in diesen Tagen nur die Uniform spazieren geführt, ohne Dienst getan zu haben. Besonders am Montag war mir die Sinnlosigkeit meines Hierseins so recht deutlich und die Stimmung war natürlich dementsprechend. Jetzt weiß ich, daß ich nicht auf Urlaub komme und gewöhne mich ans Nichtstun, das ja vielleicht auch mal ein Ende hat.
Gestern nachmittag gingen mein Stubengenosse Wolansky und Feldwebel Kühle und ich zur Stadt. Es war das erstemal, seit ich wieder in Dessau bin. Wir gingen zu drei Kinos und sahen nach, was es gab. Dann gingen wir in den "Löwen", in dem ich damals mit Dir gesessen habe, und tranken Kaffee. Als nun die Zeit heranrückte, gingen wir ins Kino am Rathaus und sahen den Film "Gold in New Frisco" – ein ziemlich seichter Blödsinn. Es war allerdings kein amerikanischer Film, aber er war auch so lächerlich genug. Auch das Beiprogramm taugte nicht viel, jedenfalls war es nicht nach meinem Geschmack. Das Interessanteste war die Wochenschau mit Aufnahmen vom Münchner Attentat und der Beisetzung der Toten. Nach dem Kino zogen wir zu Fuß zur Kaserne zurück und lagen gegen 10 Uhr im Bett. Überhaupt spielt das Schlafen stets eine große Rolle. Heute nachmittag habe ich anscheinend auch keinen Dienst. Da werde ich erst mal "koksen".
Wie sieht es nun bei Dir aus? Am Sonntag wird wohl Frauenhilfsabend sein. Sag doch bitte den Frauen, ich möchte gern die Feldpostanschriften von sämtlichen Heiligendorfer Soldaten haben, damit ich zum 1. Advent einen Feldbrief schreiben kann. Hast Du irgend etwas zugeschickt bekommen, das sich als Lektüre mitzuschicken lohnt? Bitte sieh einmal nach oder erkundige Dich bei den Amtsbrüdern, was das Geeignete ist. Den Brief will ich vervielfältigen lassen, sobald ich ihn im Konzept habe.
Am Sonntag hoffe ich den Gottesdienst halten zu können, sofern er als Bußtagsgottesdienst aufgefaßt wird. Ich habe meine Predigt ja fast fertig. (Eigentlich hätte ich sie heute halten wollen.) Aber darüber gebe ich noch Bescheid, wenn ich erfahren habe, daß ich bestimmt kommen kann.
Tatsächlich habe ich nun wieder keine Post bekommen. Ich frage mich täglich, wozu ich mir eigentlich die Finger wund schreibe, wenn ich doch keine Antwort zu erwarten habe. Ich hoffe, daß Deine Korrespondenz nicht derartig umfangreich ist, so daß für mich keine Zeit mehr bleibt. Da ich annehme, daß Du am Sonnabend erfahren hast, daß ich nicht auf Urlaub komme, sollte ich meinen, Du fändest mal Zeit, einige Zeilen an mich zu schreiben.
Herzliche Grüße, auch an Mutter,
Dein Heinz

 

 



Ansicht des Briefes

 

Briefe aus diesem Konvolut:
top