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Brief (Transkript)

Hans an Eugen am 25.1.1942 (3.2002.0211)

 

Rußland am 25. Januar 1942



Lieber Eugen,
Jetzt schriebe ich nicht und wäre zu einer Visite bei Anja in der kleinen Russenstube - aber wir müssen alle zu Hause bleiben. Unsere Feldwebelseele: Klein, dunkel, pummelig, rosenwangig, ne Stimme wie ne Himmi und als Untermalung aller triefenden Rede faul und mikrig. Dieser arme Haufen Elend, unser zeitweiliger Vorgestzter (Ehre, wem Ehre gebührt!) reizt mit seiner Affenangst zum Lachen, zu Späßen grober Sorte. Es wimmelt allhier von gleich Gekleideten - er ist erregt und außer Fassung, wittert Verrat an allen Ecken und Enden - früher war er bei der Regimentsmusik - die Front scheint sich - sehr - verschoben zu haben. Der Russe versteht sich ganz ausgezeichnet zu tarnen. Was er hat, ist weiß angestrichen - allein die Augen sollen den Menschen aus dem Gelände verraten. Selbst die Skibrettchen seien weiß, heißt es. Deshalb ist auch die Zahl Durchgebrochener nicht leicht zu bestimmen. - Mich ärgert, wenn ich sehe, wie gänzlich unzureichend für einen russischen Winter unsere Kameraden ausgerüstet sind. Auch den Russen fällt das auf. Gestern trugen drei Frauen und Sjuska einen Soldaten ins Haus, der umgekippt war. Sie massierten ihn von oben bis unten mit Schnee. Er hätte schrecklich geschrieen, dazwischen aber immer spazivo gesagt, denn, so erzählte Sjuska, habe sie ihm Strümpfe und Handschuhe gegeben und er sei sehr dankbar gewesen. Überhaupt wissen sich viele Leute den Eingeborenen gegenüber sehr gut zu benehmen. Viele zeigen auch großes Verständnis für die hier anzutreffende himmlische Naivität. Sie können zum Beispiel nicht verstehen, daß man auf Posten ihrer Einladung, komm domoi! Du sprechen, ich verstehen, ich du geben viel Porzelein (Küßchen), nicht folgt, sondern sie für die dienstfreie Zeit annimmt. Dann tragen sie auf, was sie haben: Brot und etwas Salz, Milch und Gurken - eine ganz arme Frau zog uns einmal mit an ihren Kamin und brachte uns zwei harte Brotrinden. Es war buchstäblich das Letzte, was sie hatte und war untröstlich, daß wir ihres nicht aufaßen. - Unsere eigene Verpflegung ist ausgezeichnet, und da ich nicht rauche und für meinen Tabak Zucker, Eier und Butter einhandle, ist unser Küchenzettel recht bunt und neiderregend. Man muß aber bei der Kälte gut essen. Auf Wache gibt es wenig Neuigkeiten, nur immer wieder alte Leute und junge Mädchen, die zum Kamin einladen, vorsichtig mit dem Kopf durch die Tortür lugen. Die Gastlichkeit des Russen ist durchaus echt und er ist sehr hilfsbereit - Die Baltin fand den einen Satz in der Buchbesprechung sehr glücklich, daß echte Seelengröße und ausgelassene Hoheit in ihm ganz nahe beieinander wohnen - Gestern bekam ich zwei Briefe, einen von unserer Mutter und einen von meinem Bruder Eduard. Der stellt bei Nennung seines Vorhabens (aber entre nous), sich nach seinem Examen und vor seiner zweiten Reise nach Rußland zu verloben, fest: Aus Kindern werden Leute. - Worauf ich ihm schrieb, daß es im heiligen Ehestande folgerichtig umgekehrt ginge: - Aus Leuten werden Kinder. -
Wo steckst Du eigentlich und wie heißt Bauers Anschrift bein Preußens? - Ach, bei einem Brande hier hörte ich plötzlich wie eine Westfale seinem Kameraden, der eifrig Schnee in die Glut warf, beschwichtigend zurief: „He, Metzken, laß dat Füer, et heizt mich von vorn un achtern.“ Es war finstere Nacht und sehr kalt. Das Feuer aber erwärmte und bot einen prächtigen Anblick. Heute habe ich etwas Musik gemacht und in der Hl.Schrift gelesen, aber Müdigkeit lähmt alles: Oh wie wohl ist dem zumut, der die letzte Wache tut. Meine Anschrift bleibt nach wie vor. Es ist nicht nötig, daß Du den langen Satz noch zufügst: ‘Falls usw....schreibe 17247 streiche es mit Blei=oder Blaustift durch und mit demselben
02056 darunter. Dieses Rezept ist gut, bringt mir keine Verwarnungen ein und ist bereits erprobt. Ach, wie wohl wär mir am Abend! Aber dann fängt der Tag erst an. Nimm dies Gekritzel (sieh ich schreib schon schuldbewußt klein!) nicht so übel und lasse recht bald von Dir hören! Die Stücke Papier sind noch nicht eingefädelt, die Post! Lot Di wat und halt Di munter
herzhaft und kräftig
Dein Hans

 

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