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Brief (Transkript)

Eugen an Hans am 24.3.1942 (3.2002.0210)

 

Am 24. März 1942



Lieber Hans!

Nochmals einen Gruß von unserer Fahrt. Wir nähern uns Dnjepropetrowsk. Damit weißt Du also, wo ungefähr wir sind und wohin ungefähr wir uns bewegen oder bewegen lassen. Draußen der wunderbar blaue und durchsichtige Winterhimmel über der verschneiten Ukraine. Gestern habe ich die Biographie von Cézanne, die ich noch von Frankreich herübergeschleppt habe, zu Ende übersetzt. Und dann gleich nach Hause geschickt. Man erfährt vieles über diesen ‘Solitair’, diesen Einsiedler daraus. Er kam übrigens auch mit diesem Dr. Gachet zusammen, der im Leben van Goghs so eine komische Rolle spielt. In diesem Zusammenhang wird dann erzählt, daß er als ‘fervent catholique’, als glühender Katholik mit dessen dunklen, makabren Bestrebungen sich nicht abfand, bis dieser, der Dr. Gachet, dem einzigartigen Maler zuliebe sich über seinen anthroposophischen Kram ausschwieg. Interessant auch zu erfahren, daß Zola Mitschüler Cézannes war. Diese beiden kannten sich dann auch durch ihr ganzes Leben - bis diese Freundschaft durch Indiskretionen Zolas in die Brüche ging. Er muß Cézanne, wie es scheint, als Figur in einem seiner abgeschmackten Romane verwandt haben. Wie konnte denn auch ein Mann wie Zola Cézanne verstehen - und er hat ihn auch nie verstanden. Ähnlich war auch sein Verhältnis zu Manet - dieser ein eleganter Lebemann, Cézanne, der auf Äußeres nichts gab. Tiefere Freundschaft verband ihn wohl mit Renoir und Bazille. Diese gehörten auch zu den wenigen, die ihn verstanden. Und das ist ergreifend aus diesem Buch zu erfahren. Wie dieser Cézanne sein ganzes Leben unablässig an sich gearbeitet hat, wie er sich bemühte, daß seine Form zutiefst Geist sei - und wie er mißverstanden wurde und einsam blieb bis zum Ende seines Lebens. Wohl nur wenige haben den Großen in ihm gesehen, den Mystiker, der ein Nachfahre der alten Meister aus der Gotik schien. Renoir muß wohl gespürt haben, daß er größer war als sie. Cézanne war auch der erste, der das Aquarell in unserer modernen und in der wesentlichen Bedeutung als Wasserfarbenbild behandelt hat. Delacroix hat er über alle geschätzt, staunenswert, da man in seinem Werk auch nicht den geringsten Anhalt für diese Liebe findet; aber diese Liebe war auch keine Abhängigkeit. Erschütternd auch sein Tod. Sein ganzes Leben, wiewohl in der Stille daheim, eine Wanderschaft. Die Krankheit achtete er nicht. Er hat sich nicht geschont. Und einst, mit Farben und Staffelei unterwegs und bei der Arbeit, gerät er in einem Sturm, wird durchnäßt - will abwarten, da wird es kalt dazu. Er entschließt sich zur Heimkehr, rutscht auf dem glitschigen Boden aus, fällt, arbeitet sich weiter und wird schließlich von einem Fuhrmann, der vorüberkomnmt, mitgenommen. Eine Lungenentzündung läßt ihn wenige Tage später sterben.
Ist es romantisch oder sentimental, sich besondere Gedanken oder Wünsche über Die Art und Weise, wie einen der Tod ergreift, zu machen? Gleichviel - gibt es für einen Maler einen schöneren Tod? Das Ende dieser einfachen Linie, die sich durch sein ganzes Leben und Schaffen zog, gerade und ohne Windungen, -
Gestern abend haben wir gesessen und gesprochen - über Dinge um derentwillen man sich schämen muß, Deutscher zu sein. Was man hier so erfährt, wie dem ‘auserwählten Volk’ mitgespielt wird. Das hat nichts mehr mit Antisemitismus zu tun, das ist Unmenschlichkeit, wie man sie im XX. Jahrhundert, dem ‘aufgeklärten, modernen Zeitalter’, nicht mehr für möglich halten sollte. Wie wird das einmal gesühnt werden! Man möchte bei solchen Erzählungen (und hier hört man sie aus erstem Munde) am Sinn unseres Kampfes einfach verzweifeln! Aber was bleibt uns? Maul halten und weiter dienen, -
Eben habe ich die letzten Schützen meiner Kp. während einer Fahrtpause zu Gefreiten befördert. Wenn schon, dann sollen sie mit einem Winkel in den Kampf ziehen und sterben. So denke ich.
Wie ist es mit Deinem Obergefr. ? Ich denke wegen der Penunzen. Das soll man nicht aus dem Auge lassen - was kann man alles mit dem ungerechten Mammon machen! Ich schicke Dir Zeitungsausschnitte mit. Die Frankfurter bitte verwahren wegen einiger Zeichnungen. Du wirst ja sehen. Die schöne Zeichnung Leibls! - Unsere Landser tauschen hier - bei den Ukrainern! gegen eine Mundharmonika anderthalb Pfund Speck, für eine Uhr mit nur einem Zeiger zwanzig Mark usw. ! -
Heil und Sieg! Herzlich
Dein Eugen

 

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