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Brief (Transkript)

Eugen an Hans am 19.3.1942 (3.2002.0210)

 

Am 19. 3. 42



Am Meer

Blaugrau Gewölk, herangedrängt aus Norden
Das glänzend helle Meer. Die Welle schäumt
Am Himmel kreischen ganze Vogelhorden
Bei deren Flug das dunkle Auge träumt.

Mein dunkles Auge - Schiffe aus der Ferne
Blenden mit hellem Segel jäh den Blick.
O, Daß mein Herz die Dunkelheit verlerne -
Flieht nicht die Woge schäumend weiß zurück,

Die schwarz heranrollt - laß mich, weites Meer
Dein wildes Tosen stillt der Sinne Regung.
Schatten und Helle sind wie Not und Glück.

Naht jenes Schiff sich wohl von ungefähr
Sieh - wieder blitzt das Segel zu mir her
Und schenkt mir, ach, unsägliche Erregung.

Lieber Hans!

In Erinnerung an unser Leben auf der Ile d’Oléron und an den großen Eindruck des Meeres habe ich mich nochmal auf Pegasus geschwungen und habe ihn einige Verslängen traben lassen, die Dir nun zur Approbation vorgelegt werden. Es ist eine wunderbare Zeitvertreibung im Zuge. Denn so ,wie wir über die Grenze sind, hat sich unser Tempo auch verlangsamt, und nun stehen wir mehr auf den Geleisen hier als wir fahren. Schnee ruft wieder Gedanken an den Winter wach, den wir uns zu vergessen anschickten bei Tau und Sonnenschein der letzten Tage. Heute mittag haben wir Krakau hinter uns gelassen. Wir kamen leider nicht durch die Stadt selber - von weitem konnte ich den Wawel, die Burg durchs Glas betrachten. Angesichts der polnischen Bevölkerung, der bettelnden und zerissenen Jungen macht man sich Gedanken über das Schicksal dieses Volkes. Alle betteln sie um Brot. Wer hungert heute nicht? Dann spürt man hier schon den Krieg. Die Lazarettzüge! Uns gegenüber stand ein Zug. Apathisch hockten vor den Türen einige Landser und blinzelten in die Sonne. Zahllose Züge rollen hier mit zahllosem Material und zahllosen Soldaten - und einer dieser Züge ist unser. So wie unser Unwissen um unser Ziel, auf das wir uns doch stetig zu bewegen - so ist der Krieg im ganzen. Aber vielleicht ertragen wir ihn so überhaupt nur, weil wir Verlauf und sein Ende nicht wissen. Verschlingt er auch uns in seinem Strudel - es lebt doch jeder nur von der Hoffnung. Du weißt ja: bei uns ausgedrückt in dem einen Wörtchen SPÄTER. Wie bedaure ich, nun so lange nichts mehr zu hören von Dir! Begierig auf Deine neuen Erlebnisse. Diese Nacht wird uns vielleicht schon über die russische Grenze bringen und unserer Bestimmung näher. Dann sind wir also wenigstens im selben Land - wenn auch weit - weit auseinander. Viele und herzliche Grüße, wie immer beste Wünsche
Dein Eugen

 

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