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Brief (Transkript)

Eugen an Hans am 11.1.1942 (3.2002.0210)

 

Am 11. Jan. 1942



Lieber Hans!

Lange höre ich nichts von Dir! Ich hoffe immer!Diese Hoffnung kann mich auch nicht täuschen. Wann erfahre ich, daß es Dir gut geht - oder schlecht geht - jedenfalls: wann erfahre ich etwas? Ich selber habe Dir lange nicht geschrieben. Ich finde in diesem Papierkrieg einfach die Besinnung nicht. Und wenn ich sie fand, verlor ich mich an anderes, und als ich dann an’s Briefschreiben wollte, da war’s - aus, dein untreuer Sohn! Da ich die Tage als Adjutant allein war, und sogar ohne Ord. Offz. , daß ich mich kaum rühren konnte, und vor allem aus dem Telefonieren tags und nachts nicht herauskam. Das wird nun anders. Wenn ich denke, daß ich ausgerechnet, der von Kindesbeinen an einen Schauder vorm Telefonieren habe, jetzt geradezu verurteilt bin - Schmerz, laß nach! Aber Mensch, mir geht’s gut. Wenn ich zurückdenke, was ich habe tun können, seit ich wieder im Osten bin nach meiner Genesung, dann will ich wirklich Gott loben und preisen. Tja, und wieviel Kameraden tragen wieder furchtbares Los. Eben sagt mir der Kdr. , sein Sohn liegt im Lazarett, dort, wo auch ich im August lag! Erfrierung III. Grades am Bein. Der Sohn schreibt aus dem Lazarett, schreibt von allen Unternehmungen, und erwähnt im letzten Satz seine Erfrierungen, - ohne Zusatz. Die Größe in diesem Krieg spottet allem bloßen Naturalismus; wenn ich dabei wieder an unser Anliegen denke: an die Kunst, den Drang zur Gestaltung. Die Größe dieses Krieges erfordert eine abstrakte Form. Ich kann Dir nicht theoretisch sagen, wie ich das meine. Aber denke Dir diese innere Form, die ‘Seelenachse’ in dem kleinen Sonnettenzyklus ins Bildliche übersetzt (und wie sehr lebt alles in Bildern in mir!) - dann, dann verstehst Du, was ich meine. Und ich weiß, daß Du derselben Meinung bist. Ich schicke Dir also die Versgebilde mit - zu Gelegenheit mit Pegasus eine kleine Weile auf dem Zirkel geritten- wenn Du diesen Bildern nachspürst, von denen ich manchmal träume - die sich aber noch nicht in ein großes einfaches Bild zusammenschließen lassen! Auch im Skizzenbuch habe ich nur Versuche - ! Ich habe es durch einen Urlauber an Maaßen schicken lassen. -
Zu einem Brief, wie ich ihn Dir schreiben sollte, was ich Dir alles sagen wollte - dazu fehlt mir heute abend viel. Ich könnte mit der Physik anfangen, wo sollte ich überhaupt aufhören? Abends lese ich in einem Buch - Kriegserlebnisse aus Sibirien. Es ist nicht tief, es ist auch nicht dichterisch. Aber wo es dichterisch ist, da ist es die Poesie der Handlung, die einigemale überrascht. Und wo es tief ist, da sind es die Geheimnisse dieses ungeheuerlichen Rußland, an denen man nicht einfach vorbei kann. - Ist eigentlich die große Stadt, aus der Du so oft schreibst, in der Du so lange warst, noch unsere? Laß recht bald von Dir hören. Sei herzlich gegrüßt von
Deinem Eugen

 

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