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Brief (Transkript)

Eugen an Hans am 26.12.1939 (3.2002.0210)

 

26. Dezember 1939



Lieber Hans!

Gerade denke ich, was Du im Moment wohl tun wirst an diesem hochheiligen zweiten Weihnachtstag. Fertig machen zum Essen? Oder auf dem Rückweg vom Dom? Hoffentlich hast Du den ersten Festtag etwas feierlich - in angemessenem Verhältnis! - verbracht. Alltag ist ja überall, sogar zu Hause. Und eigentlich ist die Sehnsucht immer seliger als der Besitz, als die Gegenwart. Schönen Dank für Deine Weihnachtskarte. Über meine glückliche Heimkehr am vorigen Sonntag hat Dich meine Karte wohl unterrichtet. Nun ist die meiste Zeit des Urlaubs bereits um. Ach, - Das Wesentliche, das einem am Herzen liegt, - ist es gelungen? Ich bin noch nicht zum Zeichnen gekommen, und es liegt mir so Vieles auf der Zunge, das man aussprechen möchte. Mittelbares schiebt sich dazwischen. Besuche, Treffen, Reisen, - und die Familie. Ja, auch diese, notwendiger Weise, - In jeder Beziehung notwendig.
Ich war in Köln. So reichhaltig mein Programm, - nur weniges kam auf’s Papier. Besuch bei Berke. Zusammen mit ihm in die Ausstellung. Bei Fazaun, - noch die kürzere Zeit, - Der Tag angefüllt bis zum Rande. In der Übermüdung schlief ich gar im Zug ein und erwachte aus dem Dusel, - als der Koloß aus der Halle des Hauptbahnhofes Buer hinausbrauste... Stieg dann in Westerholt aus. Ach.... ein Nachmittag nach Feldhausen. Gertrud war aus Fulda wieder da. Auch der Herr Medizinalrat Hans aus Erlangen zurück. Es war ein schöner Nachmittag. Frost, der Teich zugefroren, der Himmel gelb und düster und der anschwellende Mond. Der Alte mußte abends zur Weihnachtsfeier der im Dorf anwesenden Soldaten, um Klavier zu spielen. Anderntags war ich morgens in Essen, wo ich auch Pallietra traf. Wir schauten viel in Buchläden herum. Den Münsterschatz konnten wir nicht angucken, war sicher im Luftschutzkeller! Fliegerdeckung. In der Galerie Schaumann (denkst Du noch damals an unser Gespräch?) waren nur wenige schöne Sachen. Aber etwas habe ich erworben, um das Du mich später beneiden wirst: bei Fredebeul einen italienischen Lichtdruck einer Madonna. Denke Dir, ich hielt es erst für einen niederdeutschen Meister und mein Bruder auch. Wenn man bei weiterem kritischen Zusehen auch sein Urteil korrigieren muß: Du kannst die ungefähre Richtung ermessen! Ein Kabinettstück eigener Art, scheint’s in gleicher Größe auf Holz gemalt. In dunklen, braunen, roten, grünen Farben, Farbflächen, - abgegrenzt durch eine wohllautende Kontur. Im Ausdruck still, intim, - gleichzeitig von einer innerlichen Repräsentation, einer abgewandten Repräsentation des Herzens und von unverkennbarer Größe, - nicht verbürgerlicht wie leicht bei uns. Ja und - der Meister, fragst Du von Anfang an: Jacobo Bellini, der Vater des auch Dir bekannten Giovanni Bellini und seines Bruders Gentile. Lebte nach 1400. Auch Gertrud hatte ihre Freude daran, hatte kein Geld bei sich. Verzeih: Gut, daß ich was bei mir hatte. Also, Du wirst es später bei mir sehen. Bei mir: Denn zu dem Wort an sich tritt das Andere: Das Wort der Seltenheit. Solche Dinge möchte man auch nicht in jedem Laden sehen! . Überhaupt habe ich mich diesmal von der allgemeinen Kauflust des Publikums anstecken lassen. Ich habe gekauft - wie noch nie in meinem Leben! Eichendorff’s Werke,(Insel), Droste Werke, (I), Dantes Komödie, (I), Schreyer: Bildnis der Engel - und noch etliche Kleinigkeiten. Warum nicht? Am liebsten besäße ich noch den Hölderlin - und einen Goethe. Aber hiermit genug. Ich bereue nichts. Man muß später eine Bibliothek haben, die ganz auf dem Wesentlichen aufgebaut ist. Wenig moderne - und nur erlesene Namen. Vielleicht auf einem anderen Regal das Andere.... . Endlich habe ich selber auch den Maaßen-Band gesehen. In Gelsenkirchen stieß ich unvorbereitet darauf. Ich war sehr froh über den wundervollen Druck, in dem meine Sachen nicht so sehr ‘reproduziert’ wirkten als vielmehr ihre eigentümliche Schönheit transponiert wiedergewannen: Nicht im selben Grade, aber innerhalb einer Oktave, - wenn solcher Vergleich gestattet ist. Auch Berke stimmte bei. Daß die große (Nicht lesbar: Bister-Zeichnung?) in dieser enormen Verkleinerung noch so gut wirkt, freut mich wirklich. Sehr wollte mir das Mädchen gefallen. Verzeih diese Betrachtung über eigene Dinge, - die mir ja alle so entfernt sind, daß man selber irgendwie wie fremder Betrachter ist. Und so arm wie wir sind.
Heute nachmittag will ich nach Düsseldorf zu Franz und Nora, die mich eingeladen haben. Ich fahre nicht gerne, weil ich das Fahren so leid bin und Zeit sparen möchte. Wie oben gesagt, mein reichhaltiges Programm der Kölner Reise ließ sich nicht durchführen. In Gottes Namen. Wahrscheinlich erwartet man mich ja heute in Feldhausen, wo ich auch noch vor meiner Rückreise in den Osten vorbei muß. Als Weihnachtsgeschenk muß ich für D. und F. noch eine Zeichnung mitnehmen. Auch Fazaun soll noch eine haben. Für Dich habe ich noch Mehreres, vor allen Dingen etliches aus ‘früheren Zeiten’, woran Du sicher noch Spaß hast. Ich muß ziemlich zusammenpacken.
In Köln hing das ‘Vergnügte Bauernpaar’ von mir. Kennst Du die Kreidezeichnung, schwarz auf ganzem Ingres-Bogen? Sah gut aus im Rahmen, hing sehr schlecht in einer Ecke, als Schutz vorm Hinauswerfen, wie mir der Leiter Dr. Peters, der sich nach meinen Sachen erkundigte, versicherte. So sind also schon meine Dinge in Gefahr ‘entartet’ zu sein. Diese braven Bauern dazu! Man könnte was an sich kriegen, - wenn man die Sache nicht dafür zu billig hielte. Auch Berke meinte, man sollte gar nicht ausstellen. Von ihm darf nichts erscheinen, worauf er selber so großen Wert legt, und das Bild, was von ihm als ‘Lyriker’ in der Öffentlichkeit besteht, so andersartig machen würde. Er will mir etwas schicken, vielleicht eine Totentanzzeichnung, die werd ich in Konitz aufhängen. In einer Kritik bin ich unter Berkes Anweisung gut genannt von C. O. Jatho. Muß ich mir mal besorgen. Aber im Grunde ist das ja so unwesentlich. Ich denke mir: Wenn mal später.... ! Auch bei Albert war ich kurz. Was von ihm auf der Ausstellung war, gefiel mir weniger. Leider hatte er Besuch, und wir redeten viel vom Militär, - Schön ist’s... ! Ach, - Deine Kreuzigung, - Wußte gar nicht oder hatte es unter den Gesprächen nicht genau gehört, daß Du den Schnitt bereits fertig hattest! Er wirkt, so schön koloriert, in dem Rahmen und auf der Wand sehr gut. Auch die Gesichter, überhaupt die ganze Linienführung gefällt mir. Der Kopf Christi, der Johannes, die schwarzen Umhänge und so weiter. Etwas stört mich, die verrutschte Hüfte des Christus. Du weißt, daß ich nicht anatomischer Richtigkeit das Wort rede, sondern es nur nenne, weil es den Eindruck etwas stört, - nicht den Wert als solchen und die Schönheit des Ganzen, - Als ich daheim meinen Kruzifixus betrachtete und dann den schlechten Druck, war ich ärgerlich über das Mißverhältnis der in meinen Augen schönsten Zeichnung, die ich nie verlieren möchte, und der schlechtesten Wiedergabe, die so störend wirkte, - Also, mein lieber Hans! Hoffen wir auf den Frieden und dienen wir weiter im Kriege.
Viele Grüße und gutes Wohlergehen
Dein Eugen

 

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