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Brief (Transkript)

Willi Winkler an seine Freundin am 19.03.1945 (3.2002.0914)

 

Pilsen, 19. / III. 1945



Liebste Ruth!

Wartest Du schon sehr auf Post? Tröste Dich, mir gehts genau so. Eben höre ich, daß Ihr einen Großangriff gestern ertragen mußtet. Ich hoffe das Beste.
Heute bin ich nun 10 Tage fort. Mir deucht es eine Ewigkeit. Weil soviel neues, ungewohntes inzwischen eingetreten ist. Meinen Tageslauf habe ich Dir ja schon geschildert. Zusammenfassend kann ich nur noch sagen, daß man den ganzen Tag praktisch nichts tut. Aber Zeit hat man doch keine. Man ist ständig auf dem Sprung, und wenn dann um ½ 7 Dienstschluß ist trabt man in die Stadt um etwas essen zu können. Es ist jetzt ¼ vor 9h, ich komme gerade zurück. Feine Sache, die Straßenbahn hält vor der Kaserne und fährt alle 10 min. Heute war ich zur Abwechslung in einem deutschen Hotel essen. Sonst gehe ich lieber in die Tschechen Stampen. Dort gibt’s nämlich mehr für weniger Marken. Besseres Bier, besserer Kuchen und Zucker und Milch. Also heute war ich in einem deutschen Lokal. Ich traf mit einem Ingenieur aus dem Reich zusammen. Er stellt hier bei der Skoda Siemens-Martin Öfen auf. Ein netter Mensch, er lud mich zum Abendessen mit allen Schikanen ein. Wir haben uns nett unterhalten. Gestern, am Sonntag war ich mit meinem Funktruppführer ausgegangen. Er wurde im Okt. 43 2 Meter von mir entfernt schwer verwundet.
So nun etwas persönliches. Vom Komp Chef ist mein Urlaub gewissermaßen genehmigt. Jetzt muß der Truppenarzt sein Gutachten abgeben. Er muß mich auch 3 Mon. AV oder bedingt KV-nichtabstellbar, schreiben. Die Voraussetzung ist wohl gegeben. Leider hat ein Trottel die Papiere aus dem Laz verlegt. Hoffentlich findet man sie bald. Dann kanns ja nicht mehr lange dauern. Mir geht jetzt gesundheitlich nicht besonders. Weniger der Fuß, mehr allgemein. Sicher fehlt mir die häusliche Pflege. Ja Ruth wenn ich jetzt Arbeitsurlaub bekomme ist es am besten wenn wir heiraten. Aber so einfach ist es nicht. Nicht das Heiraten. Das werden wir schon schaffen denk ich. Aber mit dem Urlaub. Sicherlich werde ich nicht mehr nach Bln kommen können. Bln. ist wie ich vom Spieß hörte nicht mehr freigegeben. Wenns nicht nach Bln geht, werde ich zum Werkzeugbau Kottern gehen müssen. Ich weiß es paßt Dir garnicht. Höre schön zu. Wenn es zutreffen sollte, bitte ich Dich Deine Sachen zu packen und zu mir zu kommen. Es wird für Dich schwer sein Ruth. Ich weiß es genau. Aber ich weiß auch, daß es eine gute Lösung für uns beide ist. Ruth schreibe mir mal ausführlich Deine Gedanken darüber. Denke nicht kleinlich, wir wollen unser Leben ja erst beginnen. Und dazu gehört nun etwas Mut. Spreche mit meinem Vater (nichts Mutter sagen). Es ist besser man stellt sie vor die Tatsache.
So liebe Ruth, nun verdaue den Brief seelisch gut und schreibe mit recht bald (aber laß Dir dabei Zeit)
Heute wünsch ich Dir eine gute Nacht!
Ich grüße und küsse Dich!
Dein Willi
PS: Grüße Deine Eltern, auch Egon, Käthe und andere
W

 

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