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Brief (Transkript)

Willi Winkler an seine Freundin am 20.09.1944 (3.2002.0914)

 

20. / IX. 1944



Liebste Ruth!

Ich danke Dir auch schön für den letzten Brief aus dem Bunker.
Heute habe ich eigentlich was neues zu berichten. Unser Prof. Siemens soll morgen hier wegkommen. Dieser Umstand öffnet ganz neue Perspektiven. Mit der KV Schreiberei kann das doch nicht so schnell gehen. Meine Pfote sieht so ungefähr folgendermaßen aus. Die Wunden sind zu, das heißt sie haben die auffällige Form angenommen. Ganz wenig Blut und Wasser kommt allerdings noch raus. Siemens hat die Pfote geknetet und gedrückt, aber es scheint nichts mehr an Splittern drinnen zu sein. Hin und wieder geht ein Stechen durch, was sich aber nicht vermeiden läßt. Nun zur Pfote direkt. Die Knochen haben sich doch um ~ 15 m/m verkürzt, aber die Ballen sind gleich groß geblieben. Infolgedessen hat sich die Pfote ganz rund und ballig gebogen (Wenn ich auftrete stehen die Zehen 2 cm hoch über dem Boden) Zu diesem Zweck bekomme ich eine Einlage für den Schuh, wenn der Fuß ganz geschlossen ist. Wahrscheinlich wird sich der Ballen mit der Zeit flachtreten. Wie ich nun mit den Einlagen laufen werde weiß ich ja nicht. Augenblicklich ist das Auftreten noch kein Vergnügen. Täglich mache ich Marschübungen im Bette. Das ist eine schöne Übung. Der ganze Fuß ist doch geschwächt und im Bette drückt es nicht so. Bei der letzten Visite sagte der Prof. erst ich soll anfangen mit dem Laufen, zum Schluß meinte er ich sollte doch warten bis es gänzlich geschlossen sei. Vom Gehgips ist keine Rede mehr. Wenn also alles programmgemäß abläuft, so wie bisher dann werde ich wohl ganz normal wieder laufen können. Daß das meine größte Sorge ist wirst du verstehen. Was ich bis jetzt geschrieben habe kannst Du meinen Eltern erzählen, ich will den ganzen Zimt nicht 2x schreiben. –
Absatz II: Wie komme ich nach haus? Daß ich zur Hochzeit meines Vetters nach Stettin keinen Urlaub bekam ist ja klar gewesen von vorn herein. Aber erstens wäre ja die Sache schief gegangen mit der Silberhochzeit und zweitens war mir die Reise nach Stettin doch etwas reichlich. Wenn ich nun Wider erwarten keinen Urlaub bekommen sollte, dann fange ich an mit Verlegen nach Berlin. Wenn sie mich dann auch nicht gehen lassen wollen dann fange ich an mit heiraten wollen. Eins muß doch klappen. –
Wie geht’s Dir Ruth? Mit der Fliegerei geht’s wieder mal rund, was.

Für heute grüße und küsse ich Dich herzlich!
Dein Willi

Ruth, entschuldige diesen sachlichen und unschönen Bericht. Aber bevor ich nicht in Spd. bin ist doch alles Sense. Deshalb geht mein gesamtes Denken nur auf den einen Punkt. Warum ich unbedingt will, weißt Du erstens und zweitens halte ich es für ratsam jetzt am Höhepunkt in der Nähe der Menschen zu sein, die mir lieb und wert sind. Ruth wenn die Zeiten und Umstände danach sind unterhalten wir uns über schöngeistige Themen, - Also nochmals Pardon! Das es vom Herzen kommt weißt Du auch so.
Denke an die wenigen schönen Stunden und an die Küsse!
W

 

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