Brief (Transkript)
Willi Winkler an seine Freundin am 30.07.1944 (3.2002.0914)
30. / VII. 1944
Liebste Ruth!
Für Deinen letzten Brief danke ich herzlich. Das ist nun der 2. Sonntag, den ich ohne meine kleine Ruth auskommen muß. Über Deinen Lobspruch habe ich mich gefreut.
Sag mal Du glaubst wohl garnicht daß der kurze Bericht in der Zeitung stand? Das Bild war auch drin. Vom Foto hab ich es abgepinselt. – Einen ausführlichen Befund hast Du ja im letzten Brief gelesen. Ich meine jetzt meinen Haxen. Es geht mir also prima. Besser als mit Gips. – Nun was anderes. Ruth ich weiß, daß Du auf Grund Deiner Besuche niemals was ableiten wirst. Und ich will Dir auch nicht nur deshalb gut sein, es wäre schlimm. Aber trotzdem gehört es dazu. Denn aus solchen gegenseitigen Liebesdiensten setzt sich ja das ganze Leben zu zweien zusammen. Denn Ruth wenns nur die sinnliche Liebe wäre, käme man wohl nicht weit. Die vielen Scheidungen beweisen es ja. Außerdem braucht man um der Liebe Willen nicht heiraten. Ich würde es nie tuen. Du hast nun sicher mit Entsetzen diese Zeilen gelesen. Ruth ich meine die sinnliche Liebe. Sie allein wirkt nämlich selten fruchtbar, und ist nicht von Bestand. Das alles habe ich nicht nachts in dicken Büchern gelesen …
Im Geiste sehe ich Dich lächeln. Ja, im Moment bin ich vielleicht anders als ich schreibe. Aber später wollen wir ja auch immer zusammen sein. Du kennst mich natürlich nur lustig und heiter. So bin ich ja auch von Natur aus. Na Du kennst ja meinen Vater, der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Es gibt viele Leute die laufen mit einer toternsten Miene rum. Meist sind die innen so hohl, daß sie diese Maske aufsetzen müssen. Aber ich will hier keine allgemeinen Betrachtungen aufstellen. Wir verstehen uns ja Ruth. Mit Deinem Brief kam auch heute einer meiner Mutter. Von den reichlichen Luftangriffen ist sie leicht fertig. Am Sonntag haben sie auf Dich gewartet. Den letzten Bohnenkaffee hatten sie aufgehoben, dazu gabs Kirschkuchen. Du kannst Dir doch denken was man für ein kleines, warm empfohlenes Schwiegertöchterchen alles macht. Geh doch bitte mal hin zum Recklingh. Wg 38 Du kommst ja nicht unbekannt. Und langweilen tust Du Dich sicher nicht. Meine Eltern sind immer allein, da kannst Du mich gut vertreten. Sie werden an Dir mehr Freude haben. Und Mutter freuen sich immer wenn Sie was von ihren Jungen hören. Ich erwarte Deinen Bericht.
Nun kleine Ruth hoffe ich Du hast einen besseren Sonntag als ich verleben können.
Herzliche Grüße und Küsse von
Deinem Willi
Ansicht des Briefes
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