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Brief (Transkript)

Willi Winkler an seine Freundin am 23.07.1944 (3.2002.0914)

 

23. / VII 1944



Liebste Ruth!

Vielen Dank für Deinen Brief aus Dresden. Das Drama fing ja gut an in Dresden, in Berlin ging sicher mit Waldhornbegleitung weiter.
Arme kleine Ruth. Mußtest Dich erst mit der Karre hier so schinden und dann noch der Ärger. Nochmals muß ich Dir für alles Liebe und Gute was Du mir getan hast danken. Wenn Willi erst wieder laufen kann will er auch immer lieb und nett zur kleinen Ruth sein. -
Nun ist der Sonntag gottseidank bald vorbei. Nach all den schönen lustigen Tagen die Du mir brachtest, empfinde ich es jetzt sehr schwer. Aber Kopf hoch, wenn der Hals auch dreckig ist. Es kommen wieder andere Zeiten.
Seitdem der Haxen jetzt auf der Schiene liegt, geht’s mir nicht so gut. Der Halt ist weg, alles wackelt und klappert. Du kamst also genau zur rechten Zeit. Solche Capriolen könnte ich jetzt leider nicht mehr machen. Der Fuß ist ungefähr 1 cm kürzer geworden, aber wenn ich ordentlich esse wächst er vielleicht nach. Mal sehen wie die Röntgenaufnahmen aussehen. Heute kam mal wieder Post. Mein Reisegefährte Wolfgang und Mikosch haben geschrieben. Wolf ist leicht verwundet augenblicklich beim Troß. Reicht leider nicht bis Deutschland. 3 Kumpel aus dem Nachrichten Zug sind wieder für Großdeutschland gefallen. Mikosch schickte mir für 30 Zigaretten Punkte mit. Leider ist heute die Kantine zu. Wenn mich räuchert, rieche ich an die Punkte. Sonst geht’s Mikosch in Strausbg. ausgezeichnet. -
Hat sich in Spandau und in Deinem Familienkreise was neues ereignet? Heute bist Du wohl auf eine Geburtsfeier, wie ich mich besinne.
Warst Du denn schon richtig ausgeschlafen? Na im Bunker mußt Du das Versäumte nachholen.
Nun zu meiner Verlegung nach Berlin. Die Schwestern meinen es sei unmöglich, ich glaubs nicht. Sieh bitte zu, daß Du was Schriftliches bekommen kannst.
Nun meine liebe Ruth rechtherzliche Grüße und ein Gutenachtküßchen von Deinem lieben Willi

PS: Schöne ? an die Eltern
? Grüße natürlich

zum 23. 7.44



Bedauerlicher Zwischenfall in Bautzen.
Als am letzten Mittwoch eine junge Frau, sie soll aus Spandau sein, einen Verwundeten Soldaten aus dem hiesigen Lazarett im Wagen (sieh oberes Bild) spazieren fuhr, geriet sie aus bisher ungeklärten Gründen auf stark abschüssigen Wegen des Weichbildes der Stadt. Wie wir vom DNB erfahren, wollten die beiden sich lästigen Zuschauern entziehen. Nachdem die junge Frau vergeblich versuchte den Wagen auf Umwegen wieder zurück zu fahren, und dabei halsbrecherische Kurven am Abrunde vorbei drehte, der Soldat soll dabei schwere geistige Erschütterungen davongetragen haben, fuhr sie den Wagen an einer besonders gefährdeten Stelle endgültig fest. Einem entschlossenen Bautzener Volksgenossen gelang es in letzter Minute im selbstlosen Einsatz den Wagen (häufig als Krüppellokomotive bezeichnet) unter Aufbietung aller Kräfte auf sicheren Boden zu fahren. Der tapfere Vg. wurde daraufhin mit der Baumwollenen Lebensrettungsmedaille ausgezeichnet. Wir gratulieren!
(Die Schriftleitung 23. /VII. 44)

 

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