Brief (Transkript)
Willi Winkler an seine Freundin am 27.05.1944 (3.2002.0914)
Warschau, 27. / V. 1944
Meine liebe kleine Ruth!
Ich danke Dir herzlichst für die lieben Pfingstgrüße. Als alter Trottel hab ich natürlich vergesse Dir rechtzeitig Gleiches zu wünschen. Verzeihe mir und ich nehme sie hierdurch nachträglich entgegen. Du bist mir doch nicht böse?
Über die nette Karte hab ich mich sehr gefreut. Aber für längere Briefe bin ich auch zu haben. Du verstehst. Ich sehe natürlich auch ein daß Deine Zeit bemessen ist. Aber versuchs mal. Wie hast Du denn die Tage (Pfingsten) rumgebracht. War Käthe in Berlin? Im anderen Falle wirds Dir aber auch gelungen sein die paar freien Stunden kriegsgemäß zu verleben. Ach Ruth ich wüßte so vieles was wir beide gemeinsam über die Feiertage machen könnten. Aber mit dem Fuß gehts ja schlecht. Jetzt ist eben das Abendbrot gekommen. Also werd ich erst mal essen. – Geschmeckt hats nicht. Seit einigen Tagen habe ich mich nämlich von der Schonkost auf Vollkost setzen lassen. Weils bei der Schonkost keine Zigaretten gibt. Aber ich kann das klitschige Roggenbrot nicht vertragen und werde deshalb wieder umsatteln. Es ist ein Jammer, daß sie für uns nichts zu rauchen haben. Im Einsatz gabs mächtig viel zu qualmen. Auf 40 Stück brachte ich es zum Schluß täglich. Aus Angst vor Bauschschüssen aßen wir nur noch nachts ein par Happen. Wie ich aussah kannst Du Dir kaum vorstellen dazu der Bart von 2 Wochen. Die schönen neuen Klamotten zerfetzt und voller Morast. Dazu noch das rechte Ohr wie ein Eselsohr so groß und noch dicker von einem lumpig kleinen Granatsplitter. Wie die Ruinen sahen wir alle aus. Die Augen vom Schnaps und Qualm rot.
Mein erster Gedanke war bei der Verwundung, Gottseidank jetzt geht’s nach Hause. Als ich dann die Morphiumspritze hatte war ich mehr als glücklich. Der Erste der sich um mich gekümmert hat auf dem HVPL war ein kath. Pfarrer. Er gab mir Schokolade, Schnaps und Feuer für die Zigarette. Ich werde es nie vergessen. Na gottseidank bin ich ja über diese Stunden hinaus. Gestern haben sie mir den Gips abgenommen und Aufnahmen gemacht. Sie sind ganz schön zufriedenstellend. Die Operationswunde ist schon zu, nur innen am Ballen ist noch ein ganz nettes Loch. Außen geht’s auch schon ganz schön. Aber der Schlauch ist noch quer durch. Nach den Feiertagen bekomme ich wieder einen neuen Gips mit Streckverband. So nun wünsche ich Dir recht frohe Feiertage und denk mal an mich wenn Du so spazieren gehst oder sonst Dir die Zeit schön vertreibst. Bei Gelegenheit schick mal eine Illustrierte mit. Du siehst ja so schnell komme ich nicht weg, meinen Geburtstag werde ich ja wohl noch in Warschau feiern.
Also liebe Ruth machs gut und sei herzlich gegrüßt und geküßt aus Polen.
Dein Willi
Ansicht des Briefes
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