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Brief (Transkript)

Reinhold Zielinski an seine Eltern am 17.10.1944 (3.2002.0906)

 

17.10.44 (18:30)




Liebe Mama,

man merkt an Deinem Brief vom 12.10. ordentlich, wie Du Dich freust, daß nun endlich Dein kleiner Sohn auf Urlaub gekommen ist. Viel froher klingen Deine Worte als sonst und auch der Stolz auf unseren Helmut leuchtet in Deinen Augen, wenn Du mit ihm spazieren gehst. Na, und das kannst Du auch und mußt ihn nicht mit mir vergleichen. Denn ich bin doch sozusagen erst ein Versuch gewesen und die nach mir kommenden Geschwister sind immer eins besser als das andere geworden. Ich kann mich noch ganz genau besinnen, was ich für ein Gesicht machte, als der Kleine ankam. Und dann später war ich so froh über ihn, bin gerne mit ihm spazieren gegangen – sieh Dir die Bilder mit uns zwei an! – und auch jetzt hätte ich ihn gerne gesehen. Das konnte leider nicht der Fall sein und darüber bin ich nun nicht froh.
Im Gegenteil, ich hatte sehr Sorge, daß er in dolle Angriffe reinkäme, bin erfreut, daß bis jetzt nichts geschehen ist. Die Begrüßung am Bahnhof kann ich mir richtig vorstellen, Mama! Und wenn er nun tatsächlich mir ähnlich ist, dann weiß ich auch, daß er sich sehr freute, Euch besuchen zu können, so eben nur nicht zeigen will. Und dazu mußt Du ihn nicht zwingen wollen. Aber das machst Du garnicht, denn Du bist froh, daß er so ist wie er eben ist.
Und das er nicht gut aussieht, darf Dich nicht weiter aufregen, im Winter sieht man nie so gut aus, wie im Sommer und außerdem war er bestimmt nach der langen Fahrt müde. Na, und wachsen wird er auch schon noch. Hoffentlich bekommt er dann eine bessere Figur, als sein Gerede vom großen Bruder und kann etwas bessere Zeiten erleben, als wir.
Und genau so wie Du haben sich auch die Mädels gefreut; als es hieß er käme auf Urlaub; ebenso wie Gisela, die am 12.10. wohl noch garnicht wußte, daß Helmut da sei. Jedenfalls schrieb sie, daß Ursel und Gisel sie besuchen wollten, aber nichts von Helmut. Auch sie freut sich auf ihn. Hoffentlich schreibt sie mir recht viel von dem kleinen Kerl. -
Mama, bei uns ist noch alles ruhig. Wir mieten uns Kartoffeln ein, endlich haben auch alle Bunker bei meinem Haufen einen Ofen und so könnte der Winter kommen. Iwan müßte uns nur hier lassen! Die anderen aus meinem Bunker spielen Skat, und ich schreibe erst an Dich und dann an Gisela, dann lese ich „Mein Kampf“. Es ist schön warm hier drinnen, so daß wir in Hemdärmeln dasitzen. Übrigens bekommt Gerhard Lauf 5 Tage Urlaub, weil er eine Wohnung gefunden hat und umzieht. Er fährt in den nächsten Tagen und wird vielleicht mal rasch mit vorbeikommen. Dir Helmut und allen anderen sende ich meine besten Grüße
Dein Großer!

 

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