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Brief (Transkript)

Martin Meier an seine Ehefrau am 30.10.1943 (3.2002.0904)

 

30. Oktober 1943


202.)

Mein gutes treues Herzele!

Nun hast Du schon wieder so lange auf Post von mir gewartet. Es tut mir sehr leid, aber leider ging es nicht anders. Es blieb mir auch nicht eine Minute Zeit, Dir zu schreiben. Außerdem ging auch keine Post fort. Die letzten Tage waren wieder heiß, sind aber jetzt überstanden. Doch davon werde ich Dir weiter unten mehr berichten. Zwischendurch habe ich wieder einige Post von Dir erhalten. Nr. 307, 317 und 319. Herzlichen Dank dafür. Auch die zusätzliche Vermögensaufstellung gelangte in meinen Besitz. Dein Mantel hat ja einen ganz schönen Wert bekommen. Ich freue mich nun auch sehr, daß ein Teil der Sachen in Sicherheit ist. Da siehst Du erst was wir beide erarbeitet und erspart haben. Nach dem Kriege werden wir nur noch leben und genießen, falls wir alles gut überstehen. Daß sich die Verwandten gefreut haben über Deinen Besuch, kann ich mir lebhaft vorstellen. Ich möchte ja auch zu gern hin. Aber wer weiß, wenn es mal Urlaub gibt. Über Gerhards Brief habe ich mich auch sehr gewundert. Er hat jetzt anscheinend Langeweile. Wird auch Zeit, daß er mir mal schreibt. Am meisten freue ich mich aber immer, wenn Du in Deinen Briefen schreibst, daß es Euch gut geht. Was macht denn mein kleiner Struppi? Nun will ich Dir etwas von dem Kriegsgeschehen hier berichten.
Schon am 4. Oktober bemerkten wir im Abschnitt unserer Nachbardivision große Schießereien. Am 6. Oktober wurden wir alarmiert. Es ging mit den gesamten Geschützen los in den Abschnitt. Wir fuhren abends immer in Richtung des Kanonendonners und der großen Brände. Wir kamen nachts an, brachten die Kanonen in Stellung und gleich gings mit der Knallerei los. In 2 Nächten und 1 Tag haben wir 2000 Granaten verschossen. Es gelang uns, in unserem Abschnitt den Feind zum halten zu bringen. Der Russe schoß wieder und griff dauernd mit Tieffliegern an. Es war ein Höllentheater. Dazu kam die Kälte, denn Unterkünfte gab es ja nicht. Und Schlaf war auch kaum zu finden. Ich war mit Funkgerät teilweise beim VB, d.h. vorn bei den Jägern eingesetzt. An dieser Stelle lagen wir fast 14 Tage. Immer wehrten wir die Feindangriffe ab. Weiter westlich war er aber weiter vorgedrungen. So hieß es dann, vom Feinde absetzen. Alles war schon fort, nur der V.B. mit den Funkern [?] war noch dort, da setzte auf einmal wieder eine tolle Schießerei vom Russen ein. Wir konnten nicht aus unseren Erdlöchern raus. Endlich, es wurde schon schummrig, ließ das Feuer etwas nach. Da nahmen wir unser Gerät (alles einschl. jeder ungefähr 1 Ztr.) und liefen um unser Leben. Der Russe war nämlich schon in die Stellung eingebrochen. Als wir auf den Platz kamen, auf dem unser Wagen stand (das war im Walde) hatte der einen Granatvolltreffer erhalten. Das Hinterteil war vollkommen zerschmettert. Mit dieser Ruine brausten wir noch ab, ohne Bremsen, ohne Gummibereifung. Jedenfalls kamen wir noch davon. Vor uns brannte schon alles, von unseren Truppen angesteckt. Dann setzten wir uns an der Lovat fest, aber auch am diesseitigen Ufer. Der Russe näherte sich dann nur langsam, aber stetig. Am Nachmittag sprengten die Pioniere die Brücke über die Lovat, obwohl wir noch drüben waren. Es wurde schon dunkel und unheimlich, weil der Russe sich ja unbedingt unbemerkt an uns ranschleichen konnte. Um 2000 Uhr hauten wir dort ab, bauten uns schnell einen kleinen Steg über den Fluß und los ging’s. Wieder einmal dem Ivan entwischt. Jetzt hieß es, so langsam aus dem großen Kessel rauszukommen. Die Front verlief nämlich so: [Skizze] Bei dem Punkt oben standen wir gingen über den Fluß und setzten uns in der gleichen Nacht auf einem Friedhof fest + + +. Hier buddelten wir uns zwischen den Gräbern ein und leiteten das Artilleriefeuer. Am nächsten Tag ging es weiter zurück, bis wir zur Pantherlinie kamen. Diese Stellung wurde von uns angelegt zwecks Frontbegradigung. Also noch einmal entwischt. Es waren aufregende und interessante Stunden, aber auch voller Entbehrungen, immer auf freiem Felde und in Erdhöhlen geschlafen. Morgens war man steif gefroren und ganz weiß vom Reif. 3 Wochen nicht gewaschen, nicht rasiert. Verdreckt und vermistet, einen Bart wie Jesus. Na, Du wirst die Aufnahmen ja sehen. Aber glaub mir, 3 Wochen kein Dach über dem Kopfe bei der Kälte. Gestern machten wir ein Haus aus. Darin heizten wir den Ofen und schliefen uns mal so richtig aus, obwohl das Haus unter starkem feindlichen Artilleriefeuer lag. Aber uns war schon alles egal. Heute sind wir allerdings wieder raus und haben uns in die Erde eingebuddelt. Jetzt werden Bunker gebaut. Ja, Hasele, das ist der Krieg. Dazu keinen Strumpf anzuziehen, keine Handschuhe, keinen Mantel. Aber es ist ja für Euch zu Hause. Du mußt sehr lieb zu mir sein, wenn ich auf Urlaub komme. Schicke mir doch bitte Fußlappen möglichst 2 Paar, ungefähr 40 x 40 in Briefumschlägen. Vielleicht findet sich ein Stück alter Stoff. Nun will ich für heute schließen. Behalt mich lieb und grüße herzlich zu Haus. Viele Küsse bekommst Du von mir. Ich bleibe stets in Liebe
Dein treuer Martin

 

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