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Brief (Transkript)

Martin Meier an seine Ehefrau am 14.08.1941 (3.2002.0904)

 

Russland, den 14. August 41.


15.)

Liebste Frau,
nun bist Du an der Reihe. Den ganzen Tag habe ich keine Zeit zum Schreiben gehabt. Jetzt ist es nun schon 23.30 geworden.1/2 Stunde noch, dann ist auch dieser Tag zu Ende. Ich habe mal wieder Nachtdienst. Bis morgen früh 0700 Uhr ist es noch so lang. Wenn im Rundfunk nicht so schöne Musik wär, dann ging’s uns schlecht. Wir haben hier immer unsere Sender, die wir nachts hören. Im Augenblick habe ich Belgrad mit schöner Tanzmusik, später kommen Madona, Winniza und Minsk. Als wir noch mehr in der Nähe der polnischen Grenze lagen, haben wir Lemberg gehabt. Alle diese Sender werden ja von Deutschland betrieben. Aber immerhin ist so eine Nacht doch sehr lang. Mal döst man ein bischen, dann denkt man an Frauchen und schreibt Ihr einen Brief. Die Nacht muss eben verbracht werden. Heute ist hier ein Gerücht verbreitet worden. Und wenn so etwas gesagt wird, ist schon immer etwas Wahres dran. Vielleicht kannst Du bald wieder Luftgaupostamt Paris schreiben. Das wäre zu schön. Dann sind auch die Urlaubsaussichten grösser. Nur keinen Winter hier in Russland verbringen. Das fehlte uns noch. Vielleicht und hoffentlich beginnt in diesem Jahr noch der Generalangriff auf England. Bis Herbst nächsten Jahres habe ich mich ja nun moralisch auf den Krieg vorbereitet. Mehr gebe ich aber auf keinen Fall zu. Heute, ich wollte sagen, in einiger Minuten ist der 15.8.41. Noch 9 Tage, dann jährt sich der Tag zum 2. Male. Der 24. August, an dem ich meine Sachen packen musste. Ich glaube, wenn ich damals gewusst hätte, dass ich in 2 Jahren noch dabei sein würde, wären ich und viele verzweifelt. Aber was nützt das alles. 2 Kriegsjahre haben wir hinter uns. Viel, sehr viel ist geleistet worden. Ich glaube, noch einmal so lange würden wir es nicht aushalten. Also ein Jahr habe ich nun noch zugegeben. Dann soll ich nun noch den nächsten Jahren aber keiner vom Militär bei mir blicken lassen. Dann will ich meine Ruhe haben. Und den Vorwurf, dass wir unserem Vaterland gegenüber unsere Pflicht getan haben, kann uns keiner machen. Heute sind es nun 190 Tage, seitdem wir beide in Halberstadt auf dem Bahnhof Abschied genommen haben. Jeder Tag gehörte trotzdem Dir, in meinem ganzen Denken und Handeln. Wenn wir auch räumlich getrennt waren, so war ich doch in Gedanken täglich bei Dir. Alles hier tue ich doch nur für Dich. Denn was wäre wohl geschehen, wenn diese Bestien nach Deutschland gekommen wären. Die wenigsten von Euch würden noch am Leben sein. Geh mir einer weg mit der bolschewistischen Kultur. Soviel an Dreck und Unrat habe ich noch nie gesehen. Aber das schrieb ich Dir ja schon alles.

Der 15. August. Heute gibt es doch Geld bei der Bank. Ich warte immer noch auf Bescheid, ob sie jetzt mehr zahlen. Du schriebst mir ja, dass Du von Bohnsdorf jetzt monatlich 114. – RM. bekommst. – So Liebste, nach einer kleinen Pause von 5 Stunden, in der ich geschlafen habe, geht es jetzt noch bis zum Dienstschluss um 0700 Uhr. Aber in diesen 2 Stunden mus ich noch mächtig ran. Also von Bohnsdorf 114.- RM, dann könnte Dir doch die Bank noch 85.90 zahlen, so dass eine Gesamtsumme von 189.90 RM rauskommt. Ich selbst habe von der Bank noch kein diesbezügliches Schreiben erhalten. Vielleicht liegt das auch wieder an der Post. Am 13., schrieb ich Dir ja schon, bekam ich von Dir 3 Briefe. Wer weiss, wann nun wieder etwas ankommt. Also die 100.- müssen Dir per Postanweisung zugehen, die Postsparkarte befindet sich im Brief Nr. 14. Ich weiss, dass Du gleich alles einzahlen wirst.- Du hast mich doch wohl noch lieb? Ich habe manchmal so Angst, dass ich Dich verlieren könnte. Aber das ist wohl nur die grosse Sehnsucht nach Dir. Ich hab Dich ja zu lieb, als dass Du mir das antun könntest. Nun will ich diesen Brief beenden. Ich hoffe, dass er Dich bei guter Gesundheit antrifft. Viele Grüsse an Mutti und Hildchen und an alle Bekannten. Für Dich aber viele zärtliche Küsse. Es grüsst Dich herzlich
Dein Martin.

 

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