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Brief (Transkript)

Martin Meier an seine Ehefrau am 30.07.1941 (3.2002.0904)

 

Russland, den 30.7. 41.


10.

Mein liebes Gerdachen!

Du hast sicher schon wieder sehnsüchtigst auf Nachricht von mir gewartet. Bitte nicht traurig sein. Ich konnte nicht eher schreiben, da wir doch dauernd vorgehen. Ich habe Dir eine Karte beigefügt, auf der Du sehen kannst, wo ich überball gewesen bin. Orte an denen ich länger gewesen bin haben einen roten Kreis drum. Jetzt sind wir also in Berditschew. Die gestrichelte Linie wird wahrscheinlich unser nächstes Ziel sein. Nun kannst Du Deine Gedanken zu mir herschicken. Aber ich weiss ja, Du denkst dauernd an mich. Einige Briefe habe ich unterdessen auch schon wieder vom lieben Frauchen erhalten. Ich weiss nicht, ob ich Dir einen Teil davon schon bestätigt habe. Vielen Dank für Nr. 11, 12, 14, 15, 16 und 18. Ich freue mich jedesmal über Deine lieben Zeilen, Du mein kleiner Liebling. Vor allen Dingen habe ich so große Sehnsucht. Aber sonst geht es mir noch gut. Du brauchst Dir keine Sorgen um Deinen treuen Ehemann zu machen. Also hier sind wir jetzt gelandet. Solange wir im ehemals polnischen Gebiet waren, ging es ja an. Aber hier zeigt sich so richtig das herrliche Sowjetparadies. Abgesehen von den Verwüstungen des Krieges hier, kann man sehen, was die Roten für eine Kultur gehabt haben. Die Wohnverhältnisse sind katastrophal hier. Buchten findet man hier, verfallen, verlaust und verwanzt. Wir schlafen darum in Zelten. Einen alten Mann, der deutsch spricht, habe ich ausgefragt über verschiedene Sachen. Er sagte, die Kommunisten in den europ. Ländern müssten nur 1 Monat mal nach Russland kommen, dann würden sie schon von ihrem Bolschewismus lassen. Er lebt jetzt von grünen unreifen Äpfeln, die er sich und seiner Familie kocht. Brot hat dieser Mann seit 4 Jahren nicht gegessen. Und das hört man überall. Die Strassen sind unbefahrbar, selbst in den grösseren Städten. In Berditschew rauchen noch die Häuser, die von den Bolschewisten in Brand gesteckt wurden. So nach und nach kommt die geflohene Bevölkerung zurück. Gestern hatten wir einen in unserem Garten befindlichen Unterstand zugeworfen. Dabei haben wir eine abgeschnittene Menschenzunge gefunden. Jedoch jetzt genug von diesen Sachen. 2 Tage erhielt ich jetzt wieder keine Post von Dir. Hoffentlich kommt bald der ersehnte Brief mit dem Attest. Ich will mal sehen, was sich dann machen lässt. Schreib mir nur immer, was es Neues zu Hause gibt. Wie ist das mit dem Gehalt geworden? Grüsse bitte Mutti besonders herzlich von mir. Ebenso Grüsse an Hildchen, Lochows, Tante Louise für ihre Zeilen. Behalt mich weiterhin sehr sehr lieb, mein gutes Haseli. Ich habe Dich so lieb und jeden Tag muss ich an Dich denken. Es grüsst Dich herzlichst (ebenso viele zärtliche Küsse)
Dein Martin

 

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