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Brief (Transkript)

Martin Meier an seine Ehefrau am 07.07.1941 (3.2002.0904)

 

Polen, den 7.7.1941.


4.)

Liebste,

endlich komme ich wieder dazu, Dir zu schreiben. 3 Tage sind wohl seit meinem letzten Brief vergangen. Und doch kommt es mir so unendlich lange vor. Ich mache mir direkt Vorwürfe deswegen. Mit der Nummerierung stimmt es doch wohl hoffentlich noch. Nicht traurig sein, dass Du wieder ein paar Tage auf Post warten musstest, aber Du weißt ja, wie das mit dem bischen Freizeit ist. Leider kann ich auch keine Post von Dir bestätigen. Seit einigen Tagen bleibt sie wieder aus. Na da gibt es sicher dann sicher mehrere Briefe auf ein Mal. Aber das Warten ist doch nicht schön. Es ist jetzt 23.00 Uhr und der übliche Nachtdienst ist an der Reihe. Der Sender Belgrad spielt schöne Tanzmusik. Dabei lässt es sich dann schön schreiben. Man könnte direkt traurig sein, dass man die die Musik hier hören muss und nicht zu Hause beim lieben Frauchen. Ich stelle mir das so schön vor. Aber - - kann ich mir denn das überhaupt noch vorstellen? Je länger ich von zu Hause fort bin, desto verschwommener wird dieses zu Hause. Kaum kann ich mir noch vorstellen, dass es so etwas gibt. alles verblasst so mit der Zeit. Ich kann mir auch immer weniger vorstellen, das ein liebendes Weib zu Hause auf mich wartet. Auch Deine Gestalt verblasst so langsam. Und ich muss oft Dein Bild anschauen, damit ich weiss, was ich noch in der Heimat für einen kostbaren Schatz habe. Aber das soll nun nicht heissen, dass ich Dich vergessen würde. Oh nein, dass das überhaupt nicht geht, weißt Du ja ganz genau. Es ist aber etwas anderes. Wenn man zuviel daran denkt, könnte man verrückt werden. Entweder wird dann der Dienst vernachlässigt oder man wird verrückt. Dies ist ja die längste Zeit, in der wir nicht zusammen zusammen waren. Wie lange noch? Ich glaube, das richtet sich nur nach dem Russlandfeldzug. Je schneller der zu Ende geht, desto eher gibt es mal wieder Urlaub. 6. Februar. Das war der Tag, an dem wir uns zum letzten Mal gesehen haben. Also gestern waren es genau 5 Monate. Mir kommt es wie 2 Jahre vor. Unendlich lang wird einem die Zeit. Im nächsten Monat sind es 2 Jahre, dass ich eingezogen worden bin Wie lange wird das noch dauern? Lange darf es nicht mehr so gehen. Wer hätte das damals am 24. August gedacht? Wir meinten alle, Weihnachten wieder zu Hause zu sein. Dann wurde es Weihnachten und nochmal Weihnachten, und jetzt geht es wieder auf Weihnachten. Das soll dann aber die längste Trennung für uns Beide gewesen sein. Niemals wollen wir uns dann wieder trennen. Schade um unser Baby. Das konnte schon einige Monate früher auf die Welt kommen. Na, wer weiss, wozu es gut ist. Und wenn jetzt mit all dem Gesindel aufgeräumt wird, dann haben wir hoffentlich lange, lange Ruhe und können endlich einmal unser eigenes Leben gestalten. Wie die Bolschewisten gehaust haben, das ist ja so ungeheuerlich, daß man es kaum beschreiben kann. Ein Leutnant von uns war in Lemberg und hat Aufnahmen gemacht. Grauenvoll. Gräßlich verstümmelt die vielen Zivilisten. Männer, Frauen und Kinder an die Türen genagelt. Die Menschen zusammengetrieben in Stacheldrahtverhauen, dazwischen geschossen, Benzin drauf gegossen, und angezündet. Die Leute lebend in Kessel mit kochendem Wasser gesteckt. Das sind nur die harmlosesten Sachen. Das andere kann man nicht beschreiben. Dass es so etwas gibt, wollte ich ja auch nie glauben. Aber diesmal ist es keine Propaganda. Das ist die reine Wahrheit. Na die gerechte Strafe bekommen die Bestien. Vielleicht ist es schon aufgefallen, daß bei den Kämpfen nur so wenige Gefangene gemacht worden sind. Alles was uns von denen vor die Flinte kommt ist einmal gewesen. Gleiches wird mit gleichem vergolten. Die Russen stecken alles in Brand, Dörfer, Städte, Felder, Wälder. Aber sie schaden nur sich selbst. Wir kommen mit unserer Ernährung schon aus. Sollen sie doch verhungern, diese Bestien. Die haben keine Berechtigung zu leben. Das es weniger werden, dafür sorgen wir und das ausgiebig. Man kann sich garnicht vorstellen, was die getan hätten, wenn sie erst nach Deutschland eingedrungen wären. Auf jeden Fall sind wir ihnen wieder ein paar Stunden zuvorgekommen. Und das war gut so. Schade, dass ich nicht weiter vorn bin. Man kommt sich direkt überflüssig vor. Zuletzt bekommt dann noch der Engländer seinen Rest und dann ist Feierabend, Feierabend solange wir leben.
Doch nun genug vom Krieg. Wie sieht es denn zu Hause aus, mein liebes kleines Haseli? Wenn doch nur erst wieder Post von Dir eintrifft. Sind denn die Fotos schon bei Dir eingetroffen? Wenn Du sie hast, schicke sie mir doch bitte sofort. Den Film hebe aber bitte wieder schön auf, damit er nicht verloren geht. Von Russland möchte ich gern noch ein paar Aufnahmen machen. Wie geht es Mutti? Bei Euch ist wohl alles immer dasselbe. Was soll sich da auch viel ändern. Mir selbst geht es auch noch gut, was die Gesundheit anbelangt. Bleibt nur die die grosse Sehnsucht nach der Einen. Und diese Sehnsucht wird von Tag zu Tag grösser. Man tut hier zwar alles um uns über diese Stunden hinwegzuhelfen. Fast jeden Tag, oder jeden zweiten läuft ein Film. Heute Nachmittag habe ich gesehen: Hochzeitsreise zu Dritt. Leider hatte ich diesen Film schon einmal in Deutschland gesehen. = Soeben bricht eine neuer Tag an, der 8. Juli. Die Tanzmusik ist auch zu Ende. Jetzt höre ich die Nachrichten und dann werde ich den Kopf auf den Tisch legen und so versuchen, etwas zu schlafen. Aber immer werde ich dabei an mein liebes gutes Frauchen denken, das in Liebe in der Heimat auf ihren Mann wartet und ihm treu bleibt. Ach Häschen, wenn ich doch nicht so viel Vertrauen zu Dir hätte, dann sähe es schlimm in mir aus. Aber so habe ich ja etwas Kostbares irgendwo in der Heimat, das mir eine noch viel kostbarere Sache schenken soll. Nicht wahr, Babylein? So, nun will ich schliessen. Vorher will ich Dir aber nochmals, meine Liebe versichern. Grüsse bitte Hildchen von mir.
Dir gebe ich viele zärtliche Küsse und grüsse Dich herzlich.
Dein Martin

 

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