Brief (Transkript)
Martin Meier an seine Ehefrau am 30.08.1940 (3.2002.0904)
Frankreich, 30. August 1940.
Liebste kleine Frau!
Freitag früh. Ich habe bis 13.00 Dienst. Hast Du meinen Brief mit der Ansichtskarte aus Deauville und den beiden Bildern schon erhalten? In der Zwischenzeit ist so allerhand Post von Dir eingetrudelt. Recht vielen Dank für alles. Aber die richtige Post fehlt noch. Also da ist erstens angekommen: Briefe von 11.6., 14.6., 15.6., 18.6., 2.7., nochmals 2.7., 11.7. und 12.7. 1940. Zweitens Brief Nr. 14 vom 24.8. aus Filehne. Leider fehlen immer noch Brief Nr. 4, 5, 6, 7, (mit dem Geld) und Nr. 11, 12, + 13. Wer weiss, wo die nun wieder herumschwirren. Dass sie noch ankommen ist sicher, aber wann! Ich glaube, dass ist durch die Umlegung des Feldpostamtes gekommen. Hast Du den Brief schon erhalten, in dem ich die Adressänderung in Luftgaupostamt Paris mitteilte? Auch die Bilder von Dir und dem Strups sind jetzt angekommen. Ich finde sie ulkig. Schade, dass Ihr die Entfernung nicht richtig eingestellt habt. Es kommt doch alles an. Es war sogar ein Brief von Willy vom 18. Mai dabei und ein Päckchen (5 Stück) Reclam-Hefte von der Bank. Es tut mir sicherlich sehr leid, dass Du meine Post nach Filehne nicht alle bekommen hast. Ich sandte Dir erst einen Brief, dann 4 Briefe mit je einer halben Tafel Schokolade, was dann dahinter kam, weiss ich nicht mehr so genau. Ich weiss nun garnicht, was Du alles erhalten hast, da ja Deine Briefe 11 – 13 noch fehlen. Es ist im Augenblick mal wieder eine grosse Schlamperei der Post. Für Dich habe ich vorgestern ein Päckchen abgeschickt. Da sind für ungefähr 4.- RM. Zigaretten drin. Die kannst Du verschenken oder verkaufen, ganz wie Du willst. Mit den 40,- RM, die Du mir gesandt hast, scheine ich kein Glück zu haben. Die werden zwar sicher ankommen, aber verspätet. Muss ich mir eben einen andern Stoff besorgen. Na, das schadet ja auch nichts. Liebes kleines Baby, dass Du so schlechtes Wetter für Deinen Urlaub hast, finde ich wirklich gemein. Ich hab nun immer die Daumen gedrückt, damit Du eine gute Erholung hast, aber dagegen lässt sich nun nichts machen. Hauptsache, Du hast Deine Ruhe gehabt. Kleine Gerda, du hast mir bestimmt nur als Adresse Filehne, Schloss angegeben. Da konnte ich nun nichts anderes schreiben. Die Post ist ja hingekommen und ein Filehne gibt es nur. Die Post weiss alles. Dein Päckchen mit Kuchen ist auch noch nicht da. Aber immerhin schon besten Dank im Voraus. Du hast mir nie geschrieben, wann Du von dort aus wieder abreist. Ich nahm an, dass Du zum 29. wieder in Bohnsdorf sein würdest. Darum habe ich auch seit einigen Tagen wieder alle Post dorthin gehen lassen. Nun, was mir besonders am Herzen liegt. Du, ich bange mich so um Dich. Es sind doch jetzt soviel Bombenangriffe auf Berlin. Gestern erst wieder ungefähr 150 Bomben auf Wohnviertel. Ist Euch auch nichts geschehen? Es sind doch eine ganze Menge Brände entstanden. Man erfährt ja nie, welche Stadtteile betroffen sind. Aber ich habe hier keine ruhige Minute mehr. In Berlin bombardieren sie und wir kriegen die Hunde nicht zu fassen. Jedenfalls sage ich Dir, wenn unser Haus getroffen werden sollte, dann brennt jedes Haus in England, das mir unter die Finger kommt. Aber ich sage Dir, wenn Fliegeralarm ist, oder irgendwie feindliche Flugzeuge anderweitig bemerkbar sind, sofort verschwinden in den nächsten Luftschutzkeller. Ja nicht etwa auf die Strasse oder in der Wohnung bleiben und neugierig sein. Die Berliner, die getötet und verletzt sind, sind alle nicht im Luftschutzkeller gewesen. Ebenfalls keinen Blindgänger berühren oder in der Nähe stehen bleiben. Die mit Zeitzünder sind die gefährlichsten. Du wirst mir immer laufend mitteilen, welche Stadtteile betroffen sind. Wenn wir doch blos die Burschen schnappen könnten. Aber hier passiert nichts und zu Hause ist der Teufel los. Man könnte manchmal aus der Haut fahren. Aber Du versprichst mir, immer schön brav Obacht zu geben, nicht wahr, Haseli?
Die arme junge Ehefrau. Dass sie soviel Arbeit hat, freut mich riesig. Da vergisst sie wenigstens ihre kleinen Krankheiten und Sorgen. So ein Mann wie Theo – (warum schreibst Du jetzt eigentlich immer Alfred, hat er sich den Namen Theo verbeten?) – hat ihr genau gefehlt. Da hat sie wenigstens ihre Beschäftigung von morgens bis abends. Dir wird es auch so gehen, wenn ich im nächsten Jahr wieder ganz zu Hause bin. Dann werden wir beiden Männer es sich wie die Drohnen bequem machen, uns ausruhen, die Frauen arbeiten lassen und nur unserer männlichen Bestimmung nach leben. Oder glaubst Du mir das vielleicht nicht? Was, Du sagst Du kennst mich besser? Na, wir werden ja sehen. Hildchen hat ja ihre Meinung schön geändert. Erst mal überhaupt nicht heiraten, heiraten nur einen Mann ohne Fehler, dann einen mit mindestens 400 bis 500 Mk. monatlich, nicht zu Hause wohnen usw. Und jetzt ist sie glücklich, dass es so gekommen ist. Es kommt eben immer anders als man denkt. So erging es Dir ja auch. Du wolltest ja auch einen besseren Mann haben und hast so einen Kerl erwischt. Und den wolltest Du sogar noch loswerden als er Dich schon hatte. Ja, jetzt ist nun nichts mehr zu ändern. Pech gehabt! oder …? Wann gehst Du eigentlich wieder arbeiten? Frag mal die Familie Körner, wann ich eine Vermählungsanzeige bekomme. Ich hab doch gratuliert und auch ein Nachthemd geschenkt. Sollte ich nichts bekommen, sagen wir bis 1. Oktober, so werde ich es machen wie mit meinem Bruder Gerhard. Du weißt ja Bescheid, mehr brauche ich wohl nicht zu sagen. Noch eines, Liebling, solltest Du für mich irgend etwas mitgeben wollen (es fehlt Rasiblock, Lysoform) so kannst Du es an folgende Adresse geben: G. Hebmüller, Berlin-Johannisthal, Kaiserwilhelmstr. 13. Das ist das Edekageschäft am Bahnhof Schöneweide. Dessen Sohn ist bei mir auf derselben Funkstelle und gerade in Berlin auf Urlaub. Er heisst Werner Hebmüller. Das so nebenbei. Mir selbst geht es noch sehr gut. Nur ist es wie ich schon öfter geschrieben habe, sehr langweilig jetzt und man wird zu faul. Jeden Abend kriegen wir hier so viel heisse Vollmilch umsonst, wie wir trinken wollen. Wir liegen nämlich auf einem grossen Gut. Anbei findest Du eine Karte, die Dir zeigt, wo ich schon überall gewesen bin. – Dann habe ich Dir noch mitzuteilen, dass ich Dich sehr sehr lieb habe, und vor allen Dingen habe ich grosse Sehnsucht nach meinem herzigen kleinen Frauchen. Liebe kleine Mausi, behalte mich auch ganz doll lieb. Nun will ich schließen. Bestelle Grüsse an Mutti, Familie Körner, Frau Thöne (ihre Karte ist gestern auch angekommen, Vielen Dank.) an Hühner, Enten, Hund usw. Auch an Keichels nebst neuen Erdenbürger. 1000 Grüsse und Küsse an Dich mein Haseli,
Dein Martin.
Ansicht des Briefes
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