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Brief (Transkript)

Martin Meier an seine Ehefrau am 04.06.1940 (3.2002.0904)

 

Rochefort, 4.6.40



Ma chére femme!
Mein goldiges kleines Frauchen!

Diesmal sollst Du nicht so lange auf Post warten. Ich habe nämlich jetzt Wache und daher auch viel Zeit. Hast Du meinen […] Brief schon erhalten? Vielleicht kommen sie auch beide zusammen an. Desto besser für Dich. Wir führen hier ein faules Leben. Es passiert sozusagen überhaupt nichts mehr. Es soll ja in den nächsten Tagen hier an der Südfront losgehen. Aber keine Angst, wir sind immer noch mindestens 100 km. davon ab. Jetzt sitze ich auf einem Motorrad und schreibe dir dieses Brieflein. Gesund und munter bin ich immer noch, wie Du hierraus ersehen wirst, Liebling. Hier wird nur noch französisch gesprochen in unserem Funktrupp. Wenn ich nach Hause komme geht es alles nur noch auf französisch. Bis jetzt habe ich noch keine Post von Dir erhalten, mein Haseli. Das wird ja dann mit einem Mal eine ganze Menge Post von Dir werden. Ich freue mich riesig darauf. Mit den belgischen Mädchen ist das so eine Sache. Die besitzen einen grossen Nationalstolz, und da kommt keiner von den deutschen Soldaten ran. Ich kann es Ihnen auch nicht verdenken. Wir Deutschen würden es ja ganz genau so machen. Nur muss man sich hier beim Einkauf sehr in Acht nehmen, denn man wird von der Bevölkerung sehr übers Ohr gehauen. Ein Beispiel dafür – eine 1 l Flasche Bier wird hier an die Soldaten für 50 Pf. verkauft. Heute habe ich nun ein Kind geschickt um 3 Flaschen Bier zu kaufen. Ich habe ihm 3 50 Pf. Scheine gegeben. Davon hat es 2 Scheine seiner Mutter gebracht und mit dem 3. ist es losgezogen. Also können demzufolge die 3 Flaschen insgesamt höchstens 50 Pf. gekostet haben. Und so ist es mit den meisten Sachen. Ich kaufe ja nicht jeden Dreck zusammen und mich haut man auch nicht so leicht übers Ohr, dafür verstehe ich genug französisch. Bis jetzt bin ich, ausser der Bahnfahrt Berlin=Aachen, erst 234 km gefahren. Allerdings war das Fahren immer ein Kunststück. Ich habe Dir ja schon im letzten Brief mitgeteilt, wie belebt die Straßen hier sind. Den ersten Toten hatten wir ja gleich in den ersten Tagen. Ein Unteroffizier ist mit dem Motorrad gegen einen Lastwagen gefahren und dabei ums Leben gekommen. Der hat jetzt sein Grab hier in Sorinne erhalten. Sonst haben wir an und für sich nicht viel deutsche Soldatengräber gefunden. Nur ab und zu sieht man am Strassenrand einige Kreuze mit einem Stahlhelm darauf. Gestern Montag abend waren wir draussen in dem Städtchen. Da waren aber soviel Soldaten, dass es garnicht lange gedauert hat und alles war ausverkauft. Bier, Wein, Limonade alles Essbare, Andenken usw. usw. Jedenfalls war nichts mehr zu haben. Wir erhalten hier Reichskreditscheine, die von der belgischen Bevölkerung genommen werden müssen. Liebes Haseli, wann werden wir uns wiedersehen können in Berlin? Ich habe gestern den Film an Bezee gesandt zum entwickeln und Abzüge machen. Die Bilder gehen an Dich. Die kannst Du mir dann bitte übersenden. Den Film behältst Du, ebenso kannst Du die Rechnung bei Gelegenheit mit begleichen. Leg aber bitte den Film so weg, dass Struppi ihn nicht wieder auffrisst, - denn die Aufnahmen kann man nicht wieder machen. Liebes Baby ich habe Dich ja so lieb und solche Sehnsucht nach meinem kleinen Frauchen. Und ich bin so weit fort von Dir. Im Garten wird wohl jetzt alles so langsam reif. Hoffentlich ist bis zum Herbst alles zu Ende. In meinem Funkwagen habe ich ein Fass frz. Rotwein liegen von 100 l Inhalt. Da kann ich ab und zu mal einen kleinen Zug raus tun. Ich habe mir in der letzten Zeit eine sehr schlechte Schrift angewöhnt. Das liegt aber größtenteils mit an der Feder. Ich muss mir für den Füllhalter unbedingt eine neue Feder beschaffen. Wie geht es Euch zu Hause, mein liebes Babylein? Was macht Deine Arbeit im Geschäft? Wenn ich doch nur erst Antwort von Dir hätte. Ich hoffe, dass ich bis zur nächsten Fortsetzung Grüsse von Dir haben werde. Grüsse bitte alle von mir, und viele tausend Grüsse an mein kleines Weibchen von ihrem Mann.

 

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