Nach Zeitraum suchen

von 
bis 
SUCHE ZEITRAUM
Bestandskatalog PDF

Brief (Transkript)

Anton Böhrer an seine Schwester am 21.12.1941 (3.2002.0889)

 

No 7

Sonntag, den 21.12.(41)



Meine Lieben!
Heute früh war für mich wiedereinmal ein Freudentag, denn die langerwartete Post kam endlich an. Zunächst also 1 Brief von Vater vom 26.11. u. 1 Brief von Adolfine vom 30.11., für welche ich recht herzlich danke. Ich bin froh, daß es Euch noch gut geht, denn es war fast 5 Wochen, seit dem wir den letzten Briefempf. hatten. Außerdem konnte ich noch das Sacharinpäckchen, was ja fabelhaft ist, die Karten mit denen ich nun das Skatspielen beginnen werde u. den feinen Birnen, welche für mich wieder einmal eine Delikatesse waren, erhalten. Das Briefpapier auf dem sich sehr gut schreiben läßt ist auch heil angekommen. Sonst kamen noch Päcken 2 x von Therese mit sehr gut aussehender Wurst u. Lebkuchen, von Mathilde ebenfalls Spielkarten, das nichts schadet, Romane u. gutes Gebäck, das ich schon gestern erhielt, von Horn: Hartwurst, Lebkuchen, Bonbons u. von der Ortsgruppe Zigaretten u. Lebkuchen mit einer zu süßen Glasur (aber sonst gut) u. von Kaisers Hermann einen Kuchen, den man Sandkuchen taufen könnte, aber nichts sagen. Zunächst habe ich einmal sortiert u. die guten Sachen auf die Seite gelegt. Es ist ja schön, daß uns die Post nicht noch ganz vor Weihnachten vergessen hat. Mir geht es soweit noch gut u. habe z.Z. viel mit der Vorbereitung zur Weihnachtsfeier zu tun. Das meiste ist geschafft u. ein paar ruhigere Tage tuen einem gut. Vaters Schreiben werde ich dann selbst vom Dienstzimmer beantworten, sobald es einläuft. Vorläufig fehlt uns eben alle Zwischenpost vor 25.11. vom 15.10. Stefan geht es noch gut wie Ihr mir schreibt. Ich selbst habe schon lange keine Nachrichten mehr von ihm erhalten können. Er hat nun als Schirrmeister einen schlauen Posten u. darf zufrieden sein, wenn er darauf bleibt. – Meine Anrede hat sich nun nochmals geändert. Ich werde von nun an mit Wachtmeister angeredet u. bin Wachtm. u. Hauptwachtmeisterdienstuer u bitte das bei Briefadressen zu berücksichtigen. Also in der Kürze liegt die Würze. Wenn ich vielleicht noch einige Jahre Soldat bin, so kann so kann ich auch noch Hauptwachtmeister werden. – Wir werden noch voraussichtlich einige Zeit hier sein, was ja nichts schadet. Hier mussten bis zum 19. die Juden das Stadtgebiet verlassen um in einem gesondert zugewiesenen Industriegelände außerhalb der Stadt zu ziehen. 24000 Stück eine schöne Zahl. Alles zog bei uns vorbei u. ich wünschte nur Ihr hättet einmal einen Tag zugesehen. Ein elendes verlaustes u. dreckiges Gesindel. Viele gingen schon auf dem Marsch zum neuen Heim ein, aber das soll nichts schaden, denn diese Schweine sind an vielem Unheil nach der Besetzung noch schuld. – Im Betrieb wird nun auch wieder viel gearbeitet, was mich besonders freut u. es wird Euch komisch am Anfang vorgekommen sein. Hoffen wir, das alles was jetzt wieder frisch zum Rollen gekommen ist im nächsten Jahre endgültig bereinigt wird u. wir bald mindestens im kommenden Jahre mit Russland Schluß machen können. – Von unserer Frontzeitung will ich Euch einen guten Lesestoff beilegen. Wenn Ihr ihn gelesen habt, so werdet Ihr vielmehr verstehen. Gestern u. heute hatte ich großen Dreck in meiner Stube, denn 2 Maler hatten frisch geweißelt u. getüncht nach dsch. Muster. Es sieht jetzt sehr hell u. freundlich aus u. jeder beneidet einen darum. Aber das muß ja sein, wenn man länger hier ist. Mein Kamerad ist immer noch nicht von Schlesien zurück u. kommt aber noch hoffentlich vor Weihnachten von Breslau. Zu unserer großen Freude ist es wieder etwas weiß u. der Dreck, der bei dem milden Wetter war ist verschwunden. An den Feiertagen werde ich mehr von mir hören lassen. Bis dahin wünsche ich Euch alles gute u. aufs herzlichste gegrüßt von Eurem dankbaren Sohn u. Bruder
Anton

 

top