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Brief (Transkript)

Anton Böhrer an seine Schwester am 16.11.1941 (3.2002.0889)

 

Charkoff, den 16. Nov. 1941



Meine Lieben!

Am heutigen Sonntag, wovon man allerdings hier nicht viel merkt, will ich Euch einige Zeilen schreiben. Zu meiner u. natürlich auch Eurer Freude haben wir nun einen Teil unserer noch seit Ende September ausstehenden Post in den letzten Tagen erhalten. Von Adolfine erhielt ich 2 Wurstpäckchen, für welche ich recht herzlich danke. Ist doch die Wurst immer für mich ein besonderer Genuß, denn so etwas bekommt man hier bei uns nicht dargeboten. Es ist ohnedies in letzter Zeit eine Seltenheit, daß man Frischwurst bekommt, aber deshalb lebt man immer noch. Zu meiner größten Freude konnte ich gestern ein kleines Fläschchen guten Likörs mit meinen Kameraden auf Euer Wohl leeren. Ich danke besonders der lb. Adolfine, daß sie auch wieder einmal an ein so edles Getränk gedacht hat. Man bekommt eben gleich wieder etwas Stimmung u. ist wieder froher Laune. Unsere Post scheint nun doch wieder einzutrudeln, denn nun ist es gefroren u. nun können die Lastautos über den sonst so schlimmen Morast unbehindert hinwegfahren. Ein Teil der Post scheint wohl noch auszustehen. Heute bekamen die ersten Kameraden zur großen Freude zum erstenmal die 1000 g Pakete. Ich konnte mich natürlich auch nicht beschweren, denn von Therese u. Maria bekam ich auch Gebäck. Übrigens hatte ich es noch vergessen mich für das Schampoo zu bedanken. Es tut meinen Haaren wieder gut. Bis jetzt hatte ich ja flüssige, erbeutete Kopfwaschseife u. nun ist sie alle u. das Schampoo kommt gerade recht. Im allgemeinen ist die Stimmung wieder fabelhaft. Durch das verspätete Eintreffen der Post entnehmen einige junge Papas die Ankunft eines Buben o. einer Tochter oft sehr spät, aber die Freude ist nun umso größer. Ich hoffe, daß nun die Post wieder in 3 Wochen läuft u. man kann zufrieden sein, wenn es den Winter über so bleibt. Seit 8 Tagen haben wir nun Frost u. es ist gut, daß die Schuhe nun trocken bleiben werden. Die Kälte kam nicht gerade überraschend, aber in 2 Tagen hatten wir 22 Grad- mit einem ordentlichen scharfen Wind. Es war gut, daß man nicht unterwegs war u. sich in warmen Räumen niederlassen konnte. Wir liegen neben einem Bahnhof u. da gibt es Kohle direkt über dem Geleise u. Holz fliegt in der Nähe genügend herum, hauptsächlich dort, wo Bombeneinschläge sind. Sonst sind wir stark an der Instandsetzung unseres „Kriegsgerätes“ beschäftigt. Arbeit gibt es hier in Hülle und Fülle u. man glaubt gar nicht, daß man alles wieder so gut reparieren könnte. Wir haben nämlich eine große Besichtigung u. das soll eben alles klappen genau wie es seither war. Einmal war ich noch in der Stadt, aber die Füße haben mir dann weher getan als alles wert war. Denn ein verwahrlostes Pflaster macht einen Soldaten sehr müde, wenn er nur auf Sand oder Lehmwegen den ganzen Herbst u. Sommer gelaufen ist. Zu sehen gibt es nicht viel, denn es ist alles zerstört, es sei denn, daß man einmal ein altes Haus aus der Zarenzeit entdeckt. Das Wolkenkratzerviertel nach amerikanischem Stil wirkt sehr langweilig. Der Dom wäre sehr schön, wenn die Russen kein Ersatzteillager gemacht hätten. Ab u. zu geht eben noch ein Gebäude in die Luft in welches man Minen legte, aber dafür werden dann immer eine Anzahl Juden oder sonstiges Gesindel öffentlich erhängt. Das ist die einzige Strafe, die noch hier Wirkung hat. Man muß unbarmherzig streng sein u. einem noch so schön aussehenden Menschen kein Vertrauen schenken. Man ist eben im Feindesland, welches schließlich nur wir erobert haben u. nicht die Russen. In manchen Werken wird schon wieder gearbeitet u. es ist gut, wenn das Lumpenpack von der Straße verschwindet. Was man mit uns weiterhin vor hat ist uns wenigstens noch nicht gesagt worden. Bis jetzt stehen uns noch alle Türen offen, also könnte es auch noch sein, daß wir nach Deutschland kommen. Ich glaube zwar noch nicht daran, aber schön wäre es doch, wenn es heißen würde: fertig machen zum Verladen. Durch den Frost ging es an vielen Abschnitten sehr rasch vorwärts u. man staunt nur so, daß der Nachschub klappt. Am 9. Nov. hat der Führer wieder ganz groß gesprochen den Engländern wird jedenfalls im nächsten Jahre hören u. sehen vergehen, wenn wir mit unseren Specialwaffen erscheinen werden. Die Amerikaner können den Russen auch nicht mehr viel liefern, denn mit der Zeit sind sämtliche Häfen zu gefroren. Eisen u. Kohle sowie Aluminium haben wir den Russen genommen u. nun dürfte es für sie schwer sein zu fabrizieren.
Was schreibt denn Stefan? Wahrscheinlich ist er schon etwas weiter in Russland. Es ist schade, dass mir noch fast alle Briefpost vom Oktober fehlt, aber die wird auch bald eintreffen. Dann werde ich auch schrieben. – Da nun die 1000 g Päckchen wieder zugelassen sind könntet Ihr mir noch mein eines Komißhemd schicken, da mein seidenes Hemd nun ganz kaputt ist u. ich nur noch 2 K.H. habe. 1 Glas Füllfederhaltertinte u. die Handschuhe könnte ich auch noch gebrauchen. Sonst hätte ich für heute keine Wünsche mehr. In letzter Zeit hatte ich ja sehr viele Päckchen erhalten u. Adolfine hat sich gewaltig ins Zeug gelegt. Man kann nur schlecht kontrollieren ob alles ankommt u. deshalb würde ich vorschlagen, dieselben von nun ab mit Nummern zu versehen, denn dann hat man eine einwandfreie Kontrolle. Ich beginne also heute, was richtig ist mit Brief No 1. 100 Mk. schicke ich auch am 11.11. ab. Seit bitte so gut u. gebt es auf die Kasse. Mein nächster Brief wird ja ein Weihnachtsbrief sein, denn man weiß nie wann die Post ankommt u. was noch dazwischen alles passiert. Also bleibt alle recht gesund u. laßt es Euch gut gehen u. seit alle recht herzlich gegrüßt von Eurem dankbaren Sohn u. Bruder
Anton

Auch viele Grüße an Alle Verwandten u. Bekannten.

38168 A

 

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