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Brief (Transkript)

Anton Böhrer an seine Schwester am 09.10.1941 (3.2002.0889)

 

Im Felde, den 9. Okt. 41



Meine Lieben!

Gestern erhielt ich Adolfines lb. Brief, auf den ich schon lange gewartet habe u. der mich wieder etwas froher stimmte. Für die guten Wurst u. Bonbonpäkchen, sowie den Tempotaschentüchern u. dem […] danke ich recht herzlich. Die Wurst schmeckt wie ja immer vorzüglich u. ist sozusagen ein eiserner Bestand auf einem langen Einsatz, wo man anderweitig nichts auftreiben kann. – Mein Magen hat sich schon seit dem Dnjepr-Übergang wieder gut erholt, wenn ich auch keine Heringe u. ähnliches nicht mehr esse. Stefan hat in letzter Zeit auch nichts von sich hören lassen u. ich glaube wohl, daß es nicht gerade schön ist, wenn man nur mit Ausländern den ganzen Tag sich herumärgern soll, obgleich sie gebrochen deutsch sprechen können. Es freut mich, daß Stefans Mädel auch etwas im Haushalt versteht u. daß Sie vor allen Dingen nur angenehm auffällt. Bis Euch mein Brief erreicht wird es mit der Rosenpracht zu Ende sein. In der Ukraine habe ich bis jetzt noch nichts ähnliches gesehen u. Ihr könnt es Euch kaum vorstellen wie verwahrlost die Gärten u. Felder sind. Oft sieht man nur Akazien in den Gärten u. etwas Mais u. Melonen. Obst haben wir hier sehr wenig vorgefunden u. ich glaube, daß es auch zu kalt ist. Hoffentlich fällt die Zwetschgenernte gut aus, sowie die Apfelernte. Wenn zu Hause auch die Getreideernte etwas schlechter ausgefallen ist als sonst, so haben wir in der Ukraine doch recht viel Getreide erobert. Einzelne Stapel hatten die Russen auch abgebrannt, die dann tagelang rauchten, aber trotzdem ist sehr viel geretet worden. Von dem Kranksein des Ludwig […] habe ich erfahren u. ich bin gespannt ob das wieder gut vorüber geht. – Neulich hat der Führer ja einen ganz großen Aufruf erlassen, aus dem hervorgeht, daß der Krieg gegen Rußland in diesem Jahr noch zu Ende gehen wird. Nach den neuesten Meldungen hat sich nun die Front vor Moskau gelockert u. sobald die Hauptstadt fallen wird ist anzunehmen, daß eben Stalin mit seinen noch nicht durch Genickschuß erledigten Generalen nach Amerika verschwindet u. damit das Land wieder frei ist u. wir bald nicht mehr kämpfen brauchen. Die Karte übrigens, welche ich gestern erhielt, für welche ich recht herzlich danke, ist sehr gut u. ich finde sehr viele Orte, wo wir gewesen waren sogar unseren jetzigen Standort, den wir heute morgen wieder verlassen werden um weiter nach U.o. zu gehen. Auf unseren jetzigen Ort hatten wir uns sehr gefreut, weil es hieß es sei eine Zuckerfabrik hier, doch als wir Nachschau hielten war nichts hier als aufeinandergelegte Maschinen. Ein chem. Doktor der hier beschäftigt war verdiente im Monat beispielsweise nur 50 Mk. u. hat hier fast den ganzen Laden geschmissen. Wer hier längere Zeit leben mußte, der ging bald zu Grunde unter dem bolschewistischen Druck. Nun will ich schließen u. hoffe, das es Euch zu Hause noch recht gut geht u. alles noch in bester Ordnung seinen Gang nimt.
Es grüßt Euch alle recht herzlich Euer dankbarer Sohn u. Bruder
Anton

Die Aufnahmen sind sehr nett u. ich will sehen, wenn meine von Maria kommen.

 

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