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Brief (Transkript)

Kurt Marlow an seine Ehefrau am 24.08.1941 (3.2002.0884)

 

24. Aug. 1941.


Nr.53

Meine liebe Doris!

Gestern und heute erhielt ich Deine lieben Briefe Nr. 55 und 56 außerdem noch den „Nivea-Creme“, herzlichen Dank. Dein Brief mit der früheren Aufstellung betreffs des Uffz. Gehaltes habe ich ja schon vor Wochen bekommen und auch den Empfang bestätigt. Ebenso habe ich schon vor Monaten 3 Paar Strümpfe bekommen, auch diese Sache habe ich Dir und auch meiner Mutter mitgeteilt. Dann schickte mir meine Mutter mal 26 Schachteln Zigaretten, meiner Mutter schrieb ich daraufhin das sie mir keine schicken soll, jetzt fragt sie gestern noch einmal an ob ich auch das Päckchen bekommen habe. Hätte sie z.B. diesen Brief nicht bekommen so wären bestimmt noch weitere Zigarettenpäckchen eingetroffen, wie oft soll ich denn mich für irgend eine Sache bedanken? Einmal genügt doch wohl?
Seid gestern sind wir wieder in einem anderen Ort, der Ort ist wirklich sehr nett alles sauber und auch die Leute sind ganz ansprechend gekleidet, wir waren tatsächlich angenehm überrascht. Diese kleine Stadt soll eine Art Kurort sein, es gibt sogar mehrere Promenaden, die Bevölkerung ist uns gegenüber sehr freundlich, einzelne von uns wohnen sogar Privat. Die Wohnungen sind pikobello sauber man kann sogar von der berühmten Erde essen. Was wir schon seid langer Zeit nicht mehr gesehen haben, das Männlein und Weiblein Schuhe trägt, außer in Lemberg ist uns so etwas noch nicht vor Augen gekommen. Unser Aufenthalt soll sich über rund 8 - 14 Tage erstrecken, hier würden wir es sogar noch länger aushalten. Damit wir nicht zu übermütig werden war gestern gleich ein kurzer sehr schwacher Fliegerangriff, die Hirten hatten ja keine Ahnung vom schießen, ballern lustig in die Gegend und hauen dann wieder ab ohne großen Erfolg zu haben anzurichten. Bei uns gilt immer nur die Parole „lächeln“ denn uns kann überhaupt nichts mehr erschüttern. Damit wir auch keine dummen Gedanken kommen ist gleich nach der Ankunft ein Ortslazarett eröffnet worden so haben wir unsere Beschäftigung. Mir haben sie gleich die berühmte „Innere Abteilung“ aufgedrückt, von der Chirurgie habe ich vorläufig die Nase gestrichen voll, bei uns geht es doch wenigstens unblutig vor und es herrscht keine gewisse Aufregung. Alles was wir unseren Kunden an Seelenpein bereiten können ist die Pillenschluckerei und die eventuellen Wickel, sonst kann sich keiner bei und beklagen. Zur Zeit leiden wir alle unter einem unverschämten meist zu schnellen Stuhlgang, woher dieses Uebel gekommen ist kann sich keiner erklären. Seid einigen Tagen rumort es auch ganz komisch in meinem Körper es wird sich aber schon legen. Ich glaube aber es liegt an dem vielen Ungeziefer, überall kriecht dieses Mistzeug umher und ruht sich zum Schluß auf unseren Esswaren aus. Man kann sich einfach vor dieser Plage nicht schützen, am meisten reicht es mir immer wenn diese verfluchten Stechfliegen kommen, diese Biester wird man überhaupt nicht mehr los. Hier im schönsten und tiefsten Süden ist gerade das Obst reif, Du kannst Dir gar nicht vorstellen mit was für einer vollendeten Erntetechnik wir die Bäume abgrasen, so ähnlich müssen Heuschreckenschwärme arbeiten. Vor allen Dingen gibt es hier viel Pflaumen, die Äpfel und Birnen sind erst in ungefähr 8 Tagen soweit, auch bei diesen Früchten wird die Ernte von preußischer Gründlichkeit sein. Vorgestern entdeckten mein Fahrer und ich verschiedene Bienenkörbe sie waren total verwaist einige Kochgeschirre voll Honig konnten wir aber trotzdem unter schwierigsten Umständen ergattern. Man muß eben immer sehen wo man bleibt, so etwas ist immer ganz schön. Vor ungefähr einer Stunde kam ein ganz anständiger Gefangenentransport von rund 1000 Mann hier vorbei, die gesamte Frauenwelt war in Aufregung, jeder dachte unter Umständen einen Bekannten zu entdecken, verschiedentlich war es auch der Fall, aus oder in die Reihen durfte natürlich niemand sonst wurde sofort geschossen. Für die wenigen Soldaten die als Begleitkommando eingeteilt ist es nicht einfach sich bei so einer Herde durchzusetzen da knallt es dann natürlich eben mal.
Ich will jetzt diesen Brief beenden, es grüßt und küßt Dich in alter Frische und Munterkeit Dein Kurt.

 

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