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Brief (Transkript)

Kurt Marlow an seine Ehefrau am 17.06.1940 (3.2002.0884)

 

17. Juni 1940



Mein Dorle!

Den ganzen Tag lang schon wollte ich Dir diesen Brief schreiben, aber andauernd kam etwas dazwischen und es war gut so, denn 5 Minuten wurde die Post verteilt und Dein Brief Nr. 39 mir in die Hand gedrückt. Nr. 36 danken erhalten, Nr. 38 noch nicht.
So jetzt zu Deinem lieben Brief Nr. 39. Kleine liebe Doris, ich sollte Dich bestimmt nicht betreffs der Wäsche verkohlen, es ist doch ganz klar, daß ein Mensch der noch keinen Krieg und so einen phantastischen Vormarsch mitgemacht hat sich in die Verhältnisse überhaupt nicht hinein versetzen kann. Ich war vielleicht an dem Tage nicht so in der richtigen Stimmung um Dir alles noch besser auseinanderzusetzen vielmehr zu erklären. Du mußt bedenken bei uns ist eine Rast nicht wie sie in normalen Zeiten ist, alles sitzt bei uns auf dem Sprung. Wie ist es schon vorgekommen das wir absaßen, alles schön auspackten um zu essen oder zu schreiben unter Umständen auch schlafen, da kam schon wieder nach 5 Minuten der Melder angeflitzt und es hieß weiter fahren.
Soeben großer Sonderbericht, Frankreich bietet Deutschland den Frieden an, es war ja nicht anders zu erwarten, wir rechneten sowie so mit den nächsten Tagen. Die Maginot-Linie völlig umzingelt, die Rüstungsindustrien zerstört, keine Ölzufuhr, was blieb dem Franzmann weiter übrig. Dorlechen ich muß Dir ein Geständnis machen, die monatelange Trennung von Dir war oft sehr sehr schwer zu ertragen, aber ich war doch wiederum stolz darauf mitmachen zu dürfen. Wenn ich z.B. jetzt so an Polen zurück denke, was haben wir oft geflucht und gestöhnt, jetzt bin ich froh doch dabei gewesen zu sein. Was war doch in diesen wenigen Wochen nicht alles zusammengeballt an Erlebnissen die einzigartig in der Weltgeschichte sind, Erlebnisse Dorle, die man nicht vergißt die man einfach nicht vergessen kann, für denjenigen der an der Front mit dabei war, so etwas ist einmalig. Auch hier in diesem Krieg wurde viel geflucht und gestöhnt und doch ist jeder stolz sein winziges Teil am Gelingen der Sache beigetragen zu haben. Ich kann mir gut vorstellen wie in Berlin die Leute (in Berlin) vor Freude über den Einmarsch in Paris aus dem Häuschen waren, bei uns ist oder kommt die Freude anders zum Ausdruck, das habe ich heute beim abhören der Sondermeldung so richtig beobachten können. Alles ballte die Hände zusammen und der Mund war zusammengepreßt, mir erging es nicht anders, so nehmen Soldaten gute Nachrichten in sich auf. Ich weiß Du verstehst mich wie Du mich auch in allen anderen Dingen verstehst, darüber bin ich sehr sehr froh und glücklich.
Jetzt eine andere Sache, wir sind momentan wie man so sagt „Etappenschweine“, man kann auch sagen in Ruhe, befinden uns ein ganzes Stück hinter der Front. Damit wir aber nicht allzu übermütig werden ist morgen früh um 3 Uhr wecken und es es geht so ungefähr 60 Km. südwärts. So laße ich mir den Krieg schon gefallen man kommt sich vor wie auf einer K.d.F. Fahrt, gemächlich tuckelt man durch die Gegend. Essen ist prima, heute gab es als Sonderverpflegung 3 Tafeln „Suchard-Schokolade“, prima was, eine ist schon in meinem Magen verschwunden. Quartier habe ich auch, der Oberzahlmeister und ich haben 2 Matratzen gefunden, jetzt liegen sie in einer Küche und warten drauf belegt zu werden, dieses wird auch bald vonstatten gehen, die Müdigkeit kommt jetzt so richtig nach. Heute sauste ich nur den ganzen Tag in der Badehose umher, herrlich sage ich Dir. Außerdem habe ich mich völlig an wunderbaren süßen Kirschen und Johannisbeeren überfressen, das war mal wieder so etwas für mich.
Weißt Du eigentlich wer hier noch fehlt? Ach Dorlechen, Du brauchst garnicht lange zu raten, es ist garnicht schwer, Du bist es. Du, wenn ich wieder bei Dir bin beiße ich mich glatt in Deiner rechten Schulter fest, also sehe Dich vor. Ich habe Dich nun eben einmal so lieb.
Kleine Doris bitte grüße Alle von mir, es küßt Dich unzählige Male
Dein Kurt.
Wo angekreuzt waren wir.

 

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