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Brief (Transkript)

Kurt Marlow an seine Ehefrau am 15.06.1940 (3.2002.0884)

 

15. Juni 1940



Meine liebe Margot!

So ganz auf die Husche will ich Dir schnell einen Brief schreiben. Es ist gerade wieder eine Pause, ich will Dir auch erklären wie diese entstehen. Unsere gesamte Kolonne besteht aus ungefähr 100 Kraftwagen, denn es sind noch verschiedene andere Formationen, die ähnlich der unsrigen sind, unterstellt. Wir sind auf dem Vormarsch jetzt kommt aus einer querlaufenden Chaussee plötzlich ein anderer Truppenteil z.B. ein Infanterie Regiment, diese werden erst einmal vorbeigelassen, dadurch entsteht oft eine Pause von 2 und mehr Stunden. Wenn wir Pech haben passiert uns das einigemale hintereinander so sind wir oft um 30 – 40 km zu fahren 20 und mehr Std. unterwegs. Aber dieses Warten kostet oft Nerven z.B. nachts, man kämpft furchtbar mit dem Schlaf, fährt 2 km und schon steht wieder die Kolonne oder falls gerade eine marschierende Truppe vor einem ist nubbelt man im 5 km Tempo eine Ewigkeit hinterher ohne Licht und die gesamte Landschaft sieht dadurch grau aus. An der gestrigen Nacht war mal wieder alles dran, ich werde Dir mal so unsere Arbeitszeit mitteilen. Um 23 Uhr kamen wir zum schlafen, punkt 3 Uhr morgens wecken und dann begann unsere eigentliche Arbeit, punkt 22 Uhr war wieder Abmarsch und es ging 30 km vorwärts, unser Rastplatz lag mitten im Walde. Dann erste Beschäftigung im dunkeln den Wagen tarnen dabei fährt man ab und zu in ein Dornengebüsch denn Licht darf nicht angezündet werden. Anschließend im Wagen gepennt, Kopf auf das Steuerrad gelegt und schon wird geschnarcht, in einigen Stunden ging es dann wieder weiter. Augenblicklich befinden wir uns im Argonner, haben noch einen dollen Weltkriegsschlachtort vor uns (siehe Karte). Unsere Formation fährt immer im Zickzack durch Frankreich kommt immer darauf an, wo wir gerade gebraucht werden. Wie Du wohl im Wehrmachtsbericht gelesen oder gehört hast kommen unsere Truppen auf diesem Stück nicht in dem Maße vorwärts wie z.B. an der Küste, denn der Argonner Wald hat es in sich, die Wälder ein undurchdringlicher Urwald für den Feind wunderbare Schlupfwinkel, von unseren Truppen muß er regelrecht durchgekämmt werden. Außerdem befindet sich noch die Weygand-Linie hier, ihr Aufbau ist direkt gemein, jedes Haus ist ausgebaut, jedes Dorf kann als Festung angesprochen werden und trotz aller Wiederwärtigkeiten ist sie durchbrochen worden. Die Dörfer sehen katastrophal aus, alles niedergebrannt und vernichtet. Die Wiesen können als umgepflügte Äcker angesprochen werden, aus dem dichten Unterholz dringt ekelerregender Kadavergeruch heraus, so nebenbei beerdigen wir noch Freund und Feind, unser Tischler hat dadurch emsig zu arbeiten. Hier auf diesem kleinen Stück Erde kämpften unsere Väter 4 Jahre ohne vorwärts zu kommen, wir schafften es in wenigen Tagen. Aber auch Verdun wird fallen ebenso wie Reims fiel oder Sedan, es war schlimm Dorle.
Ein jeder ist gespannt wie lange Frankreich noch standhält, wir müssen ja manchmal lachen wenn unsere Zeitungen Ausschnitte aus franz. oder engl. Blättern brachte, die von systematischen Rückzügen zu berichten wußten. Diese siegreichen Rückzüge hättet ihr mal oft erleben sollen, die Gegner hatten oft nicht Zeit auszuschirren, mußten alles im Stich lassen und bloß fliehen nur um ihr eigenes Leben zu retten. Ich kann nur sagen England wird sich noch wundern wenn es erst den wirklichen Krieg im eigenen Lande verspürt, bisher was dort unsere Luftwaffe gezeigt hatte war ja nur Spielerei, der wirkliche Ernst für sie kommt ja erst wenn die Bevölkerung auf einen Gipfel zusammen getrieben wird. Auf das Ergebnis kann man wirklich gespannt sein und auch auf unsere Bedingungen.
Ich fühle mich gesundheitlich sauwohl, schlafen kann ich wie ein Kümmeltürke, so es Krieg wäre etwas für Leute die behaupten sie könnten keinen Schlaf finden, sollst mal sehen wie die hier sogar bei stärkstem Artilleriefeuer pennen könnten. Die Zivilisten müßten nur oft hier mal Mäuschen sein um Soldatengespräche mitanzuhören, den würde doch oft anders zu Mute werde, diese Halbmenschen.
Übrigens bekam ich von Dir vorhin den lieben Brief Nr. 37, vielen Dank, ein netter Brief bringt einem doch sofort wieder auf andere Gedanken.
Bitte grüße alle Deine Angehörigen, es ist ja schön daß Du Dich mit Elsa wieder vertragen hast. Es grüßt und küßt Dich herzlich
Dein Kurt

 

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