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Brief (Transkript)

Rudolf Kurth an seine Ehefrau am 05.08.1941 (3.2002.0867)

 

Rußland, den 5. August 41.



Mein liebes Trudchen!

Nun will i a bissl mit Dir schwätzle, nun ist mein Kopf etwas klarer geworden da der Tag nicht mehr so heiß ist. Ich sitze zwischen zusammengeballten Korngarben und habe die mir gegenüberliegende Höhe zu beobachten. Aber seit Stunden regt sich nichts drüben. Ich würde hier über Nacht noch gern bleiben, denn ich habe es hier eingerichtet wie im Nest. Morgen könnten ja die Autos kommen und uns abholen meinetwegen. So ideal ist Autofahren auch nicht, bei den schlechten Wegen wird man arg durchgeschüttelt. In den frühen Morgenstunden ist es auf den Fahrzeug doppelt kalt, was man nach der Hitze des Tages besonders empfindet. Als motorisierte Truppe sind wir mit am weitestes vorn, ich schätze wir müssen bald irgendwo am Schwarzen Meer herauskommen.
Heute wurde Post verteilt, es war keine für mich mit bei. Ja auch ich muß mich in Geduld fassen, bis ich welche bekomme, wieviel Briefe usw. mögen wohl an mich unterwegs sein? Wichtiger ist es mir ja das Du meine Zeilen etwas regelmäßiger bekommst.
Neulich als wir mit den Fahrzeugen in einem Dorfe halten mußten war ich in ein Haus, da mir kalt war. Da sah’ ich das es wirklich so ist, wie oft in Büchern berichtet wurde, die Familie schläft auf dem Ofen. Auch hier sagen die Kinder „Mama“ zur Mutter, Ich glaube das Wort ist international?
5 jährige Knaben laufen noch ohne Hosen, nur mit Kittelchen herum. Sind sie älter, laufen sie wie Erwachsene gekleidet und haben sich meist das Rauchen angewöhnt. Zur Frauenbekleidung ist nichts besonderes zu sagen, sie laufen grad so wie Hilde im Garten herum. D.h. ich werde durch diese Frauen viel an Hilde erinnert, die Gestalten entsprechen meist ihrem Typ. Die Männer laufen mit langer Hose mit oder ohne Stiefel, mit ähnlichem Kittel wie der rote Soldat, manchmal noch Jacke drüber. Meist blaue Tuchmütze oder Sportmütze, Hüte tragen habe ich hier noch nicht gesehen. In der Ukraine, ja da wurden Hüte getragen, Mit den weißen bestickten Blusen sahen die Männer sehr hübsch aus. Hier der ganze Gegensatz dazu.
Übrigens bin ich 12 Jahre bei der B.V.G., für Pensionskasse 11 Jahre, falls nicht meine Soldatenzeit doppelt angerechnet wird.
6. August 41
Liebes Trudchen, heute haben wir bis jetzt etwa 120 Km. gefahren, von Bombern sind wir auch angegriffen worden. Allerdings werfen die sehr schlecht. Die Bomben fielen weit ab im Walde. Wir liegen bei den Autos und essen, in der Nähe müssen Kadaver liegen, denn es stinkt zum erbrechen.
Wir sind eben durch eine Stadt gefahren und halten am Ende derselben. Es fällt sofort auf, das im Gegensatz zu den Dörfern die Zivilbevölkerung fehlt. Die Stadt besteht aus denselben kleinen Häusern aus Lehm und Stroh wie man sie auf Dörfern findet. Dazwischen einige Repräsentativbauten aus Klinkern, Schule, Versammlungshaus, Kino usw. Die Art der Ladengeschäfte errät man aus Bildern. Aber auch hier sind die Läden geplündert, wenn auch die Zerstörungen nicht so groß wie an der Grenze sind. Die Straßen sind nicht gepflastert, durch Trockenheit aber Steinhart. Gärten und Viehzeug findet / 8/6. 41 man mitten in der Stadt.
8. August 1941
Den Satz am 6.8. habe ich unterbrechen müssen, weil wir plötzlich von russischen Jägern (Flieger) angegriffen worden sind. Gestern ließen die Russen in unserer Nähe eine Bombe fallen, der Trichter war groß genug für einen Lastwagen. Heute Mittag haben wir zwei besetzte Russenautos geschnappt der mit Muni ist ausgebrannt, der mit Verpflegung hat bloß Reifenschaden. Ich liege jetzt im Kornfeld, die Sonne brennt unbarmherzig hernieder. Der Stahlhelm glüht. In der Nacht habe ich gefroren obwohl ich mich mit Korngarben und Zeltbahn zugedeckt habe. Die Gegensätze zwischen Tag und Nacht sind hier eben zu groß. Es war eine schöne helle Vollmondnacht, mit dem Fernglas konnte ich, als ich Posten hatte, die Gegend gut überwachen. Unser Fernglas ist gut aber diese Gläser sind noch bedeutend besser. Ein Kamerad schenkte mir heute eine erbeutete neue russische Pfeife, nun kann ich doch wieder rauchen. Wissen möchte ich bloß wann ich mal Post erhalte, das Du mir schreibst davon bin ich überzeugt. Wo ich in Russland bin, weiß ich auch nicht, bestimmt aber weiter vorn als Erich jeweils [?] der OKW Bericht meldet. Wir hören hier nichts von der Welt, unsere Parole ist kämpfen und nur vorwärts. Gesehen habe ich schon weite Strecken dieses Landes, viele Städte und Dörfer aber unendlich groß unvorstellbar groß ist Russland. Ich habe keine Bange das mir etwas passiert, denn Deine Liebe ist bei mir. Darum glaube ich immer, denke auch in den Stunden der größten Gefahr an Dich, an unsere Kinder. Ich bin da innerlich so ruhig. Ich hatte noch keine Gelegenheit Dir das Geld abzusenden. Wann werden wir die Heimat wiedersehen sie ist doch schöner als alles in der Welt. Grüße Behr’s und Müller’s und meinen Vater u. Margot, Elsbeth u. Hilde von mir.
Was soll ich fragen wie es jedem geht, ich bekomme ja doch keine Nachricht, wahrscheinlich muß da erst der Kampf zu Ende sein?
Meine Söhne möchte ich gern bald mal wieder sehen, wie auch Dich, möchte mich mit ihnen herumtollen. Ich möchte baden, Eiswaffel lutschen, Kartoffelsalat essen, ach soviel Wünsche habe ich ja. Vor allem mal ein Bett mit allem Komfort!!! Mutti, ich glaube wir verstehen uns, wir werden uns immer verstehen. Du sag mal, aus Sonnenblumen soll Oel gewonnen werden? / 1900 Uhr. Eben kam Feldpost, aber nicht für mich. Nun haben wir aber wenigstens Nachrichten über die Kampfhandlungen im Allgemeinen. Bald habe ich Geburtstag, hoffendlich ist es der letzte im Kriege. Vor allem, hoffendlich ist bald der Krieg aus damit ich endlich wieder bei Dir sein kann. Den Winter möchte ich ja nicht in Rußland verbringen, ich schätze daß es hier arg kalt wird. Jetzt kurz nach 19 Uhr geht hier schon die Sonne unter, glutrot steht sie am Himmel. Eben knattern die Maschinengewehre wieder wie toll – nun darf ich wohl weiterschreiben, wir wurden von Jägern im Tiefflug angegriffen. Na ich schnell den Geländehut auf und klein gemacht. Die M.G. Schützen spritzten man bloß so rum, man sieht es an der Leuchtspur wo hin sie fliegen. Es waren etwa 10 Tiefflieger welche da kreuz und quer flogen. Ist man aus dem Schußfeld des einen, dann schon wieder im Schußfeld des anderen Fliegers. Gut das es keine Bomber waren, sonst Amen. Scheiße schon wieder sind sie da.
9. August.
Nun dieser Angriff der Jäger gestern ging lange und wild. Heute haben sie sich wenig sehen lassen.
Sonntag 10. August
Die Landschaft liegt so friedlich da nichts verrät das hier gekämpft wurde. Die Strohpuppen auf den Feldern sehen so harmlos aus und doch ist jede eine kleine Festung für sich. Dieses Klima macht sich doch langsam bemerkbar, ich habe wieder Ischiasbeschwerden. Am Tage vergehen sie, sonst wäre ich schon beim Arzt geswesen. Post habe ich bisher von Erich noch keine erhalten, ich bin schon zufrieden, wenn Du meine bekommst. Bei den Berliner Kameraden hat es mir besser gefallen, man wird hier wohl ewig fremd bleiben. Ich denke viel An Dich, an unsere Kinder und freue mich auf ein gesundes Wiedersehen mit Euch.
Herzliche und innige Küsse
sendet Dir in Liebe Dein
Rudolf
Grüße auch an Peter’s, Müller’s und Kurth. Dein Vater möchte mal statt Rasierseife die Creme kaufen. Dann eintauschen gegen Seife für mich.

 

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