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Brief (Transkript)

Wolfgang Kurth an seine Verlobte am 21.03.1945 (3.2002.0866)

 

den 21.3.45.


Nr. 71

Mein kleines, geliebtes Herzl!

Hurra, ein Brief von Dir! Mein Lieb, heute ist es nun genau 6 Wochen her, dass ich von Dir weg bin, und in diesen 6 Wochen habe ich heute zum 2. Male von Dir Post bekommen Nr. 7 Leider ist der Brief schon über 4 Wochen alt und wie es Dir nun im Augenblick geht und was Du treibst, weiss ich noch immer nicht. Aber ich bin ja schon froh, dass ich wenigstens mal einige Zeilen von Dir in den Händen halten kann. Also, mein Engelchen, habe Dank für Nr. 7. Nun will ich aber gleich beantworten, was zu beantworten ist! –
Ja, mein Herzl, die Post beeilt ich wahrhaftig nicht mit der Beförderung und lässt sich reichlich Zeit. Aber bisher war es bei uns ja so, mein Engelchen, dass wir das Neueste immer per Draht durchgaben und unser Briefverkehr „nur“ den Zweck hatte, Dinge zu schreiben, die man nicht per Draht geben will und kann. Und nun? Ja, jetzt scheint die Strippe futsch zu sein. Hoffentlich wird sie noch einmal heil. Ach, mein Engelchen, wenn ich doch nur mit Dir sprechen könnte!
Naja, dass Du ohne grosse Schwierigkeiten Deinen Tag rumkriegst, will ich Dir schon glauben. Langweile hast noch nie gekannt und wirst Du voraussichtlich auch nicht kennenlernen. Da hab ich gar keine Angst drum. –
Du, ich habe mich sehr gefreut, dass Du noch einen netten Mantel bekommen hast. Nun pass aber auf, mein Strolch, dass nicht so ein kleines „Bömbchen“ Deinen Mantel auseinandernimmt. Weißt Du, diese täglichen Angriffe auf Berlin fallen mir langsam auf den Wecker. Worauf werfen die Blödmänner denn bloss? Wie sollen ja mein Dodilein in Ruhe schlafen lassen. Ja, Schlumpel, 23.30 Uhr ist eigentlich meistens Zeit, zu der ich Dir schreibe. Jetzt ist es auch gerade so spät. Und ob ich an Dich denke? Nie ... ! Ach, Du Zigeuner, es vergeht kaum eine Stunde am Tag, zu der ich Dir nicht mit meinen Gedanken entgegen komme. Schlumpel, das weißt doch ganz genau. – Soweit Dein lieber Brief. –
Aber es war nicht so schlimm, denn ich habe schon tolleres hier in W. erlebt, Na ja, auch das wird vorübergehen.
Meine kleine Frau, weisst Du schon, dass ich verheiratet bin? Ja, ich trage den Ring links viel zu weit und so trage ich ihn halt rechts! (... und der Wunsch ist der Vater des Gedanken!!)
So, mein Schlumpel, nun aber noch ein paar Seiten lesen in Stifters „Brigitta“.
Du, für alle Zeiten will ich Dir gehören und ich weiss, dass Du meine kleine goldige herzige Frau bist.
Dodilein, unendlich hab ich Dich lieb!! – Lass Dich herzlich küssen sei tausendmal gegrüsst von Deinem
Wölfchen

Gute Nacht, mein geliebtes, einziges Mädel!
D.W.

 

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