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Brief (Transkript)

Franz Schmidt an seine Mutter am 5.8.1943 (3.2009.0574)

 

Bug den 5.8.1943



Liebe Mutti!

Vorgestern erhielt ich Deinen Brief vom 31.7., ich habe schon die ganze Woche auf Post von Dir gewartet, ich war zu unruhig. Wir haben kein Radio, keine Zeitung. Einmal wird erzählt, „Hamburg ist ganz hin“ und eine Stunde später: war fast garnichts los. Gestern traf ich zwei Landser, die Beiden sind in der Angriffsnacht hierher stiften gegangen, sie wußten nicht daß ich Geesthachter bin und haben erzählt daß Lauenburg und Geesthacht auch angegriffen worden sind. Nun sitze ich hier und weiß nicht was los ist, Harry kommt jeden Mittag und Abend an, ob ich Post habe, er bekommt auch keine Nachricht, telefonieren können wir nicht, Stralsund kann das Gespräch nicht weiterleiten. Ist das ein dummes Gefühl, ich weiß nicht ob Ihr noch zu Hause seid, ob wir überhaupt noch ein zu Hause haben. Ich kann es mir auch garnicht vorstellen daß alles hin sein soll, alles kaputt, das ist doch unmöglich. Aber Mutti, ich habe schon Tage vorher immer an zu Hause denken müssen, habe mich selbst in Gedanken herumlaufen sehen.

Freitagabend den 6.8.1943.
Will nun den Brief versuchen fertig zu schreiben. Wir haben nun leichteren Dienst kein Exerzieren und keine Gefechtsausbildung sondern nun nur noch, oder viel mehr, reine fliegerische Ausbildung. Den ganzen Tag Unterricht oder praktische Ausbildung. Wie diese Ausbildung im Großen und Ganzen oder im Einzelnen ist, kann ich Dir nicht schreiben. Etwa acht Wochen bleiben wir hier noch in Bug, dann werden wir auf eine andere Schule kommen. Nun zu Deinem Brief. Ich hoffe ja noch, daß Ihr zu Hause seid, daß alles heil ist, aber andauernd höre ich daß auch unsere Stadt hin sein soll. Ich warte und warte auf Post, nun mag auch die Beförderung nicht klappen oder man macht sich garnicht die Mühe unsere Post zu befördern, schmeißt sie ins Wasser, ich weiß es nicht. Am letzten und vorletzten Sonntag habe ich wie immer geschrieben, am vorletzten oder jedenfalls darum auch an Reinhard und Hilde. Am 27.7. habe ich einen Brief für Beate zu ihrem Geburtstag geschrieben, ist ja auch nicht angekommen. Ich habe heute mit meinem Lehrer gesprochen, er will versuchen daß ich Wochenendurlaub bekommen kann, ob es schon nächsten Sonntag ist weiß ich nicht, es richtet sich auch ganz danach ob und wie die Züge fahren. Sonst versucht Ihr doch nach Stralsund zu kommen, dahin gibst Sonntagsurlaub, aber schreibt vorher, muss mich dann um einen Schein bewerben. Ich kann ja viel schreiben, wer weiß ob noch alles da ist, ob es überhaupt noch eine B.G.E oder Reichsbahn gibt. Ich will mir immer gewisse Vorstellungen austreiben, kann ich nicht, mir brummt direckt der Kopf. Wenn ich nur wüßte was los ist. Wenn ich bis Sonntag keine Post habe werde ich an Familie Vieth Fischbeck 135 bei Hameln schreiben, ich kann mich genau an diese Anschrift entsinnen. Hast Du von Papa schon was gehört, wo ist er? Ist Bergedorf auch kaputt, Eisenwerk? Wie sieht es von Obermarschacht bis Rönne aus, noch alles heil? Oma, Tante Magda und Hannchen mit der Kleinen? Meine lütte Hilde?? Wenn das alles weg sein sollte, dann weiß ich nicht, dann wird mir im gegebenen Moment alles recht sein, wir wissen wem wir es zu verdanken haben, mir macht keiner mehr was vor. Ich muß nun schließen 10 vor 10. gute Nacht
Es grüßt Euch alle Drei recht herzlich
Dein Sohn Franz

 

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