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Brief (Transkript)

Franz Schmidt an seine Mutter am 31.6.1943 (3.2009.0574)

 

Bug auf Rügen, d. 31.6.1943



Liebe Mutti!

Nun komme ich doch in dieser Woche dazu, Dir einen Brief zu schreiben. Vorerst möchte ich Dir für das Paket und den Brief mit den Rundstückmarken auf´s beste Danken. Das Paket ist leider kaputt gegangen, habe aber alles brauchen können. Die Marmelade war ja einzig ist aber leider schon wieder alle. Auch die Bismarckeiche hat sehr gut geschmeckt, die Äpfel waren fast alle gut.
Wir sitzen seit heute morgen in unserer Stube und warten auf unsere Versetzung hier zur 5. Schüko. alle kommen nicht mit, es bleiben einige hier. Hoffentlich bin ich nicht dabei, denn noch einmal 6 Wochen U. L. K. dann bin ich fertig. Wir sollten planmäßig heute morgen 11 Uhr versetzt werden, es ist etwas dazwischen gekommen, was, das ist uns vollkommen gleich, wir lassen uns überraschen. Die letzte Woche war eine Woche wie ich sie noch nicht erlebt habe uns taten abends die Knochen so weh als hätten wir Blei drin, man mochte sich nicht von eine auf die andere Seite legen, aber das ist nun vorbei, das war das „Abschlußrennen“.
Die Kameraden kommen von der Schülerkompanie, einer von unserer alten Meute aus Gruppe ist dabei, kommen nun weg. Lange wird es nicht dauern und sie fliegen in einer Kampfmaschine ihre ersten Einsätze. Nun sitzen wir seit heute morgen in unserer Bude und lassen uns von den Mücken stechen, diese sind eine reine Plage hier, zweimal haben wir den Bau schon ausgeräuchert nun sind die Bister schon wieder da. Gestern haben wir voller Freude unsere Flinten und Seitengewehre abgegeben und haben uns gesagt: das letzte mal, daß wir das Ding in der Hand hatten, aber wir wollen uns nicht zu früh freuen, hier ist nichts unmöglich. Mit unserer Versetzung kommt es uns komisch vor, vielleicht sitzen wir Montag noch hier, - wir lassen uns überraschen -.
Nun sage einmal, was ist eigentlich in Hamburg losgewesen, hier wird erzählt Hamburg wäre zweimal Angegriffen worden, wäre alles hin. Sonntagnachmittag 6 Uhr. Wir sitzen noch immer in unserer Stube, heute morgen haben wir unsere Kameraden, auch Harry, mit ihren ganzen Sachen zur 5. übersiedeln sehen. Wie die Namen heute morgen vorgelesen wurden, es ging Zug weise, und wir nicht dabei waren, rührten sich doch solch Art komische Gefühle in uns. Aber unser Spieß hat uns versichert, daß wir in den nächsten Tagen versetzt werden. Morgen kommen die Restlichen von der 5. weg, 150 Mann und soviel sind wir auch, werden wir wohl morgen umziehen. Soll es doch anders kommen und man gibt uns unsere Flinten wieder, dann werde ich stur wie ein Panzer, das haben wir uns alle geschworen, aber wir werden schon zur 5. kommen. Heute haben wir uns einen ruhigen Tag gerollt, von mittag bis eben habe ich am Strand gelegen und gebadet. Ach Mutti, ich mag nicht mehr viel vom Dienst schreiben. Habe die Schn. voll, hier geht alles durcheinander, sind wieder neue gekommen, die sind hier eingezogen, ein Radau im Schuppen, nur in unsern beiden Stuben ist´s Ruhe, die Gruppe Radtke wartet seit gestern und wartet weiter. Wie ich heute für mich alein auf meiner Wolldecke am Strand lag, lag ich so im halbschlaf, da laufen dir so die Gedanken durch den Kopf. Vollkommen ruhig war es heute, kein Lärm auf den Schießständen, nur vereinzelt brummt eine Do 18 oder BV 138 übers Wasser, die Bordsch. flogen auch nicht, herrlich ruhig war das. Da dachte ich an zu Hause, an den Geesthachter Strand, sah mich mit meiner grünen Hose und dem blauen Hemd zur Elbe gehen, dort habe ich mit Bruno Giese, Ede Prauda, Adolf Frank, Boni und viele andere gebadet, sind über die Elbe geschwommen. Abends sind wir dann alle ins Kino gegangen. Am andern Morgen knarrt die Tür, aufstehen und anziehen. Aktentasche untern Arm und dann wird zum Bahnhof geschlichen. Die Kolegen, Boni, Harry Rohland und Walter Weiß sind schon da. Der Zug kommt, einsteigen, letzter Wagen hinten rechts, unser Stammplatz. Und dann haben wir erzählt vom Sonntag. In Düneberg stiegen Zappi, Hans uns Kassi ein, haben auch dolle Sachen erlebt. Ach – waren das Zeiten, nun sind wir alle verteilt, einer hier der andere da, vielleicht ist auch schon einer kaputt, ich weiß es nicht. Nun sitze ich hier rum auf diese kleine Insel, links und rechts Wasser, nur Militär, vereinzelt läuft mal eine „Frau“ vorbei, ist aber selten. Wir sind auch schon vom Horst herunter gewesen. 5 Mal waren wir im Dorf Drenske, etwa 5 km. von uns, dort machten wir unsere Geländeübungen. Die Rast, 20 Minuten, war das Beste, da haben wir uns im Straßengraben hingesetzt, die kleinen Schulkinder kamen gerade aus der Schule. Sie liefen an uns vorbei, sahen uns groß an, einige setzten sich zwischen uns und haben erzählt von der Schule, von zu Hause und von der großen Schwester. Was die kleinen Würmer wohl denken wenn sie uns sehen, schwarz im Gesicht mit Schweiß verschmiert und alles tun was andere Männer sagen, legen sich hin, springen auf und laufen, wir haben da keine Worte für denken da auch weiter nicht drüber nach. Die Erwachsenen schüteln nur mit dem Kopf „ihr seid doch Flieger, warum macht ihr den diesen Unfug. Haben die eine Ahnung ein Flieger muß alles können.
Wie sieht es denn zu Hause aus, sind die Weintrauben schon gut, die Honigbirnen, verdammt noch mal, ich will nach Hause, nur für einen Tag, mal mein Zimmer sehen in der Küche mit Euch Essen und in der Stube sitzen wo alles sauber ist, ein guter Fußboden ist, saubere Türen sind, wo ich mich bewegen kann wie ich will, wo ich ausgehen kann wann ich will und zu Hause kommen kann wann ich will. Hier sitze ich mit zehn Mann in einem Raum wie meine Stube, glaubst Du kaum, wir haben einen Tisch, da muß man sich hinter zwingen, die Betten gehen nicht enger zusammen, ein Mif ist in dieser Koje, stinkt nach Kommiß. Wenn man an zu Hause denkt und das tut man immer wenn einem eine Laus über die Leber gekrochen ist, heute morgen wo wir nicht mitversetzt worden sind, möchte man die Flinte nehmen und mit dem Kolben alles zusammenhauen und stiften gehen wie der Italiener, aber so feige sind wir nicht, regen uns einmal gründlich auf und dann ist es gut, dann geht das Kommißleben weiter, sollst mal sehen, morgen lachen wir schon wieder, heute mault alles rum, sowas dummes.
Was meinst Du Mutti, die lütte Hilde macht sich langsam, hat schon wieder einen Brief geschrieben am letzten Sonntag. Wie Du sie beim Baden getroffen hast, wollte sie schreiben, hatte aber Besuch zu Hause. Ich habe sie am letzten Sontag auch geschrieben, nicht viel aber gut, eine solche Seite so runter, guten Rand gelassen sauber geschrieben, wird wohl auch seine Wirkung getan haben. Ihre Schrift ist ganz gut, im letzten waren keine Fehler, hat Mutti mitgeholfen. Heute will ich nicht schreiben wird doch nichts bin nicht aufgelegt dazu. Weißt Du, ich möchte mal mit der Lütten an der Elbe spazieren gehen, vielleicht schon im Herbst. Wenn der Lehrgang um ist, ist es möglich daß es ein paar Tage Urlaub gibt: Wenn wir in der Schüko sind gibst auch Sonntagsurlaub nach Stralsund, in 5-6 Wochen. Dann kommst Du mit Reinhard und Beate hin. In den ersten Wochen gibst doch noch keinen Sonntagsurlaub, aber wenns soweit ist, werde ich schon bescheid sagen, dann gehen wir mal in Stralsund aus. Ist Papa schon weg, schicke sofort die neue Adresse. Wie ist denn überhaupt Beates Geburtstag gewesen, ist mein rechtzeitig angekommen? Den habe ich halb im Schlaf geschrieben, bin den Abend restlos fertig gewesen. Hoffentlich war er gut so.

Es grüßt Euch alle recht herzlich Franz

 

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