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Brief (Transkript)

Franz Schmidt an seinen Bruder Reinhard am 6.3.1943 (3.2009.0574)

 

Im Westen, d. 6.3.43



Lieber Reinhard!

Heute mittag bin ich einen Brief für Dich angefangen, drei Reihen, da fing der Dienst wieder an. Heute abend erhielt ich den dritten Brief von Dir, das bedingt einen neuen anzufangen. Aus meinen Briefen hast Du ersehen, daß ich irgendwo in Frankreich freudig und willig Soldat bin. Wir leben bestimmt nicht schlecht hier, morgens mittags und abends wird sich der Bauch mit allem möglichen Sachen vollgeschluckt, die Zeit dazwischen spielen wir Soldat, abends kriechen wir dann angeblich restlos kaputt ins Bett, mit dem Rücken liegen wir auf ein weiches Strohsackpolster, die andere Seite, unsere Vorderfront ist mit drei dicken Wolldecken umhüllt, da halten wir uns die ganze Nacht bis anderen Morgen 6 Uhr auf. Dann wird sich gewaschen, Bett und Spind in Ordnung gebracht, der Bau, den wir mit 36 Mann teilen, ausgefegt. Als nächstes werden sich erstmal ein paar Scheiben Komißbrot hinter die Binde geschoben und dann bequemen wir uns so langsam, unseren Dienst zu machen. So geht es bei uns her. Ausgang haben wir noch nicht gehabt, wollen wir auch garnicht haben, dieses Nest kann uns wenig reißen. Nun lieber Reinhard will ich Deinen Brief fortsetzen, inzwischen ist es Sonnabend geworden, in der Woche kommen wir einfach garnicht zum Schreiben. Will mich beeilen, habe heute zwei Päckchen erhalten, sie kamen zur rechten Zeit, heute und morgennachmittag haben wir frei, die Plätzchen will ich dann kurz vor dem Zubettgehen still und leise verdrücken. Mutti soll auch noch einen Brief haben. Gestern Abend kam wieder ein Brief von Dir, Deine Begegnung mit meiner Kleinen in Begleitung von Mutti u. Papa, ich danke Dir recht herzlich für Deine genaue Ausführung. Vorgestern war der Rekord da: je einen Brief von Mutti, Oma und Käthe Ziehl. Nun zu unserer Sache, bei uns nennen wir es „Thema I“ (Weibergeschichten) Wenn wir abends im Bett liegen und unsere Ausbilder einzeln durchgemeckert haben, wenn keiner mehr was zum Vortragen hat, also der Dienst ganz und gar erledigt ist, dann heißt es Thema I, das mußt Du nur einmal mit anhören, überhaupt wenn wir uns mit den Bayern unterhalten, schlimmer als eine Meute Gänse schnattert, aber lange dauert dies auch nicht, wir schlafen schnell ein. Also zur Sache: Erstmal muß ich Dir meine Anerkennung für die Überbringung meiner Anschrift an Hilde aussprechen, das hast Du wirklich gut gemacht. Sie hat leider noch nicht geschrieben, hat wohl nicht den Mut dazu, muß ich wohl den Anfang machen. Mit dem Bild, hast Du Dir da nicht zuviel vorgenommen, na ich drücke beide Daumen für Deinen Versuch.
Weißt Du Reinhard, ich freue mich jedesmal wenn ich was von zu Hause höre von Euch und auch nicht zuletzt von meiner kleinen Hilde. Der Dienst kann noch so streng sein, aber wenn abends die Post verteilt wird, dann ist alles da, dann sitzt jeder still in seiner Ecke und ist für einen Augenblick zu Hause. Schickt doch ein paar Bilder, die wo wir mit Mutti unter den Schapmorellen stehen, Du mit Mutti, ich mit Mutti und wir alle Drei. Suche die Negative, (in meiner Stube) und lasse Postkarten machen, von Beate eins extra, wenns geht auch vergrößert und nicht zuletzt, Du weißt ja. Du kannst Dir garnicht vorstellen, was jeder von „Seiner“ hällt, wird es wohl noch lange dauern bis wir „Sie“ einmal wiederhaben, bis wir überhaupt ein deutsches Mädel wiedersehen. Das was hier rumläuft, genau son Dreck wie das Franzosenkraut bei Euch.
Nun Reinhard, wenn Du was Neues hast, immer schreiben, ich kann Dir leider nicht immer schreiben, wirst Du wohl verstehen können. Nun will ich gegen die Plättchen, es ist augenblicklich so schön still hier, der rechte Moment, abends, Sonnabend acht Uhr.

Es grüßt Dich herzlich Dein Bruder
Franz

 

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