Nach Zeitraum suchen

von 
bis 
SUCHE ZEITRAUM
Bestandskatalog PDF

Brief (Transkript)

Alfred Luchs an seine Ehefrau am 19.12.1943 (3.2002.7567)

 

Im Osten 19.12 43.



Liebes Gretel.
Am heutigen ruhigen Tage will ich paar Zeilen an Dich richten. Es mangelte bisher immer an Zeit, und man muß auch Lust zum Schreiben haben. Denn es ist doch etwas anders, als wenn man im Kino die Wochenschauen sieht, oder in Ruhe im Heim ein Buch vom Krieg liest. Hier schwindet alle Romantik, denn der Krieg ist blutige Wirklichkeit. Ich habe mich scheinbar schnell hier eingewöhnt, wenngleich auch unser Bunker sehr eng und windig ist. Die Gräben sind voll Dreck, man sieht schauderhaft aus, an Kleider- oder Stiefelwechsel ist nicht zu denken. Man muß schwer gegen sich angehen, um nicht gleichgültig in Sauberkeit zu werden. Wasser u. Seife ist Mangelware. Holz zum Heizen müssen wir uns suchen und in kurzer Zeit zerkleinern. Verpflegung ist gut. Essen kommt bei Dunkelheit. Da es um 3 Uhr anfängt zu dämmern, beginnt dann draußen Arbeit bis früh um 6 Uhr. Dann wird geschlafen. Gestern war hier toller Rabatz. Es pfiff aus allen Ecken und aus der Luft. Aber jede Kugel trifft ja nicht, und zu ängstlich darf man auch nicht sein. Wir liegen hier in und unter einem Dorf, wovon allerdings nichts mehr zu sehen ist. Unseren Gegner können wir gut sehen, er uns aber auch. Ich begreife, daß der Mensch hier draußen eine andere Anschauung bekommt, ja hier zeigt sich der Mensch von einer ganz anderen Seite. Auch als Unterführer ist es hier viel schwerer, seinen Männern vorzuleben wie in der Ausbildung. Ich habe hier eine Gruppe mit 6 Männern, zum größten Teil alte Rabauken, in dieser Hinsicht erfahren, jedoch alle sehr verschieden im Charakter.
Wenn Ihr sehen könntet, wie der Soldat im Osten lebt und kämpft und alles entbehrt, so muß man sich wundern und staunen. Aber alles tun wir, damit unsere Heimat nicht so aussieht wie dieses öde Land, zerrissen und unfreundlich. Ich komm mir vor, als wäre mein bisheriges Leben ein weiter schöner Traum auf einer anderen Welt gewesen. Trotzdem ich vor 2 Wochen noch unter Euch weilen konnte. Aber es hilft zu nichts, wir schaffen es schon. Ich bin in Gedanken oft bei Euch und in unserem schönen Heim. Und nun gehabt Euch wohl und denkt zuweilen an den kleinen Soldaten.
Dir, Gogo und unserm lieben Jungen recht innige, liebe Grüße von Eurem Priemel und Vati.

 

top