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Brief (Transkript)

Alfred Luchs an seine Ehefrau am 29.9.1944 (3.2002.7567)

 

29.9. 44



Mein Lieb.

Heute früh sind wir schon um 4.30 Uhr geweckt worden, um duschen gehen zu können. Um 1/2 9 Uhr zurückgekommen, es waren 25 klm., mit dem Bus hatten wir 3 Stunden Zeit, da habe ich erst mal meine Wildlederhandschuhe genäht. Und nun will ich Dir einen Brief schreiben. Ich hätte ja nie gedacht, dass hier so starker Dienstbetrieb sei, es ist allerdings erst seit 14 Tagen so, vorher war nur zweimal am Tag Befehlsausgabe.
In der Zwischenzeit konnte jeder machen was er wollte, da dieses aber sehr, besonders im Westen, zu toll getrieben wurde, ist nun Dienst angesagt worden. Viel wird ja nicht geboten, aber die Zeit wird wenigstens ausgefüllt. – Das Essen ist ganz gut und reichhaltig im 6. Kriegsjahr, wenngleich die jungen Burschen meckern, vielen ist die Rangerhöhung ins Gehirn gestiegen, das sieht man am laschen Gruß mit hochgewinkeltem Arm und daß sich viele mit „Sie“ anreden, die vor 3 – 4 Wochen noch Unteroffiziere waren, denen fehlt die harte Lebensschule. Hoffentlich bleiben sie stark genug im Kampf. Denn wir müssen uns darüber klar sein, daß im kommenden Winter der Krieg an allen Fronten rings um Deutschland ein sehr harter werden wird, hatten doch unsere Gegner schon mit unserer vollen Niederlage gerechnet und dementsprechende Befehle und Handlungen ausgesprochen. Wie es bei den Geschehnissen im Westen ja auch nicht verwunderlich war. Aber nun steht zum Glück die Front wieder, das paßt natürlich den Gegnern keinesfalls in ihren Berechnungen und den Völkern selbst schon gar nicht. Da muß also was geschehen.
Ihr erstes Erwachen war, daß die bereits endgültig vernichtete V 1 Waffe, nach berechneter Pause, größere Opfer forderte, da die Bewohner zum Teil schon zurück gekehrt waren u. dergl. mehr.
Wir halten eben durch bis zum letzten Mann, wenngleich es auch manchen
„Deutschen“? nicht angenehm ist. Aber es geht eben um Alles, um Volk und Familie.
Nach einem gut schmeckenden Erbsenessen und ausgiebigem Mittagsschlaf sitzen wir zum Unterricht beisammen. Wie geht es denn bei Euch? Wie steht es mit der Schule? Ist Pfannstiel wieder dort? Hast Du schon das Paket von Munster Lager zurück erhalten?
Den Lederkoffer schickte ich auch von Munster ab, vergaß aber, ihn abzuschließen, war wohl so mit den Nerven runter, hoffe aber, daß die Kleinigkeiten, die darin waren, angekommen sind. In Oldenburg habe ich dann am Dienstag den Rohrplattenkoffer abgesandt. Die Stiefel bitte ich aufgehängt zu lagern und vorn mit Papier auszustopfen. Gelegentlich aus Itzehoe 2 Leutnantsschulterstücke mitbringen oder mitbringen lassen und einzuknöpfen.
Ich bin nun wißbegierig, wie es mit Dir und der Aufnahme im Krankenhaus geworden ist, vielleicht hast Du die Sache selbst schon überstanden.
Ihr Drei wart wohl recht erstaunt, daß ich so schnell zum Osten gekommen bin, was. Mir ging es auch so. So 2 Tage vor Beendigung eines Lehrgangs abberufen zu werden, überschnell abgestellt zu werden. Dann 2 Tage in O. zu sitzen und nun hier auch noch wer weiß wie lange. Von hier kommen wir direkt an die Front, die ja nur 30 klm. ab ist.
Gehe doch bitte heute noch zu Max Heyer und frage ihn, ob er mich zur Standarte Feldherrnhalle noch melden konnte und was nun erfolgt. Gebe mir sofort Nachricht, damit ich das hier gegebenenfalls melden kann. Nicht vergessen, heute noch erkundigen, schreiben und absenden.
Den Rest dieses Briefes schrieb ich im Kasinogarten, die Sonne läßt die Buntheit des herbstlichen Waldes noch im vollsten Lichte abschiednehmend erstrahlen und wirkt auch in uns Menschen frohe Gedanken, die in Erinnerung schwelgen und mit denen in den Winter der Einsamkeit gehen.
Im Gedenken an Euch verbleibt
Euer Priemel + Vati

 

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