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Brief (Transkript)

Alfred Luchs an seine Ehefrau am 20.2.1944 (3.2002.7567)

 

Sonntag, 20.2 44

Mein liebes Mädel.

Es ist Nacht, aber harter Fußboden und die Läuseplage lassen mich nicht richtig schlafen. Habe endlich alle Knöpfe an meine Sachen angenäht, sonst hätte ich bald alles verloren. Dann habe ich Deine letzten Briefe in aller Ruhe und Beschaulichkeit gelesen und will nun etwas mit Dir plaudern.
Ich schrieb Dir ja schon ganz kurz, daß wir allerhand hinter uns haben und die Mehrzahl der Kameraden nicht mehr bei uns sind. Damit ist nicht gesagt, daß diese alle gefallen, sondern auch sehr viele schon in Lazaretten in Behandlung sind. Wie es so kam? Ja, wir wurden auf höheren Befehl auf schnellstem Wege an eine gefährdete Stelle der Front geworfen und zwar in ein Gebiet, was vom Krieg völlig unberührt gewesen war. Wir haben dort in einem Dorf sehr gute Tage verlebt. Kein Mittag oder Abendbrot ohne Hühner-, Kalbs- oder Hammelbraten. Nur mir sagten diese Dinge nicht sehr zu, da ich mich auf dem Marsch und im Zeltlager sehr stark erkältet hatte. Ich bekam Fieber bis 40º, aber konnte nicht fortgeschafft werden, der Fieseler Storch, der mich anfangs nach hinten schaffen sollte, war anderweitig noch dringender gebraucht, und so wurde mein Fieber mit vielen Tabletten runtergedrückt, der linke Lungenflügel wurde etwas angekratzt. Aber es kam noch die letzte Gelegenheit eines Nachts, mit einem Schlitten nach hinten zum Verbandsplatz geschafft werden zu können. Das war am 9. 2. Hier habe ich mich paar Tage erholen können, kam aber auch nicht weiter nach hinten, da wir mehrfach eingeschlossen waren.
Dann begann der tagelange Kampf, um aus dieser Umklammerung rauszukommen. Anfangs saß ich ja noch im Sanitätswagen, aber den letzten Tag ging es zu Fuß. Da war mir doch schon so weit wohl, daß ich am Stock gut mitkommen konnte.
Aber auch hier wollte Iwan uns nicht durchlassen, es gab harte Kämpfe. Ich habe auch wieder zur Waffe gegriffen, um die Sowjets abzuwehren, die auf unsere Verwundeten los wollten. Das alles im morastigen, dichten Wald und auf einer Höhe vor einem Dorf. Inzwischen war es dem meistens größten Teil gelungen, durch die russischen Linien durchzulaufen. Da griff Iwan im Rücken von uns an, da haben wir uns aufgemacht und ihn mit „Hurra“ weit zurückgeworfen, sodaß unser Durchbruch auch gelang. Schwierig war nun festzustellen, wo sind die deutschen u. russischen Stellungen? Erstmal überquerten wir nachts einen sehr großen See und zogen dann stundenlang am anderen Seeufer durch den versumpften, dicht mit Unterholz durchsetzten Wald, bis wir an ein kleines Dorf kamen. Ein Spähtrupp stellte fest, daß dieses feindfrei sei. Ein Zivilist führte uns dann auf verschwiegenen, verschlungenen Pfaden durch die russischen zu den deutschen Stellungen. Dann nach 2 Std. Marsch und Schlitten nahmen uns auf und fuhren uns weiter. Dann gab es erst was zu trinken und zu essen, und Lastautos fuhren uns zu unserem Sammelplatz, wo es manches Wiedersehen und manche herbe Enttäuschung gab, weilt doch so mancher gute Kamerad nicht mehr bei uns. Aber die wichtige Feldpost, Schnaps und Essen, Schokolade und Bonbon verscheuchten die Gedanken. Denn das Leben geht ja immer vor.
Bis jetzt habe ich nur 1 Paket bekommen. Hoffentlich rauschen die anderen laufend an. Wir sind nach tagelanger, kalter Bahnfahrt aus dem Frontbereich gezogen, um uns etwas zu erholen. Der Ort liegt nicht in Deutschland, sondern in Lettland. Deine vielen Briefe habe ich mit Freude gelesen, grüße bitte alle Bekannte in Bützow und Umgegend.
Von einem Kameraden bekomme ich aus Tirol Rot- u. Weißwein, den er an unsere Kellinghusener Adresse senden will, wer bezahlt die Nachnahme (falls er den Versand so vornimmt) wenn Du nicht da bist? Ich bestellte 20 Fl. Rot- und 30 Fl. Weißwein. Damit man was zu picheln hat, wenn ich mal heimkomme.
Stricke mir schnell Handschuhe, denn ich habe keine mehr. Diesen Brief etc. auch den nächsten sende ich nach Bützow, die anderen und nach Kellinghusen. Karl Heinz Wulff schrieb mir auch, er war zur gleichen Zeit in Esbjerg im November + Dezember wie ich.
Nun recht viele Grüße und alles Gute für Euer Wohlergehen.
Gogo hat wohl eine Besucherliste angelegt, was?
Heil und Sieg Euer Priemel

 

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