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Brief (Transkript)

Elmar Lieb an seine Eltern am 21.12.1941 (3.2002.7255)

 

Am 21. Dezember 41

Meine Lieben!

Vom Winterlehrgang zurück fand ich bei der Kompanie von Euch die Päckchen Nr. 825 v. 27.10., Nr. 828 v. 3.11., Nr. 831 v. 10.11. u. v. 11.11. sowie Mamas Brief v. 4.11. und einen solchen Gerdas vom 6.11. […]. Habt für dies alles herzlichsten Dank. Ich komme erst heute dazu, sie zu beantworten. Waren die letzten Tage doch sehr anstrengend u. brachten keine Zeit zu kurzer Ruhe, weit weniger zum schreiben. Nun befinden wir uns auf dem Marsch nach einem anderen Abschnitt. Heute morgen traf ich meinen Kommandeur, der mich besonders herzlich begrüßte, da ihn das Gerücht erreicht hatte, ich wäre verwundet. Mir fehlt indes überhaupt nichts, es handelt sich um einen anderen Leutnant unserer Kompanie. Es geht mir also, wie immer, sehr gut. Den weißen Pullover habe ich erhalten, bisher habe ich aber die Trainingsjacke untergezogen, da mir jener sehr warm erscheint. Ich werde ihn während der zu erwartenden empfindlichen Kälte Januar u. Februar tragen. Ich habe nun genug Winterwäsche. Mehr könnte ich beim besten Willen nicht unterbringen.
Das Helmut Mößmer gefallen, trifft mich besonders. Pflicht war bei ihm stets groß geschrieben. Aber dieser Einsatz ist die Besten wert oder sollen wir uns von den Japanern übertreffen lassen? Gerdl wird es mir nicht übelnehmen, wenn ich ihre köstlichen Zeilen nicht gesondert beantworte. Beim Lesen komme ich aus dem Schmunzeln u. Lächeln nicht heraus.
Nach längerer Pause erhielten wir heute reichen Postsegen. Außer Margots Briefen kamen Päckchen von Euch, eines von Anna, von Frau Schella, vom Kriegsbetreuungsdienst der H.J. Habt außerdem besten Dank für Eure Zeilen v. 9.11. mit Grüßen von Papa, Tante Hedwig u. Hptm. Huber, v. 17.11. mit der Beschreibung von Hänschens Ankunft u. der Mitteilung, er habe sich zum med. dent. entschlossen. Da ich mit gleicher Post von Hans erfuhr, daß er nun doch Vollmedizin studiert, freue ich mich über diesen Entschluß besonders. Ich habe auch sofort mit unserem Oberarzt gesprochen, der auch dringend zum Vollmediziner riet. Erhält er doch dadurch eine umfassendere wissenschaftl. Bildung in einem unerhört weiten u. reichen Arbeitsgebiet, das außer geschickten, zahnmeißelnden [?] Händen Geist u. Seele erfordert. Bei seiner Rückkehr zur Truppe wird er außerdem Res.San.Offz.Anw.
Daß ich selber für mich keine Stellung zum Wintersemester nahm, rührt daher, daß ich von dieser Möglichkeit nichts erfuhr. (Unsere Schreibstube ist oft Tage von uns getrennt). Als mir dann aber von dieser Möglichkeit mitgeteilt wurde, erfolgte gleichzeitig die Aufhebung dieser Genehmigung für das Ostheer. Wie ich oft zwar „in Kürze, aber ohne Würze“ – wie Mama meint – schreibe u. manches unerwähnt lasse, so gewiß nicht, weil ich etwa nicht daran dächte, sondern lieber schweige, als in die Würze des Fuhrmannstones verfalle, denn es ist manchmal zum Kotzen. Ich beziehe schließlich mein Weltbild einer rosigen Zukunft nicht aus der Zeitung.
Unsere Soldaten werden z.Zt. in den Briefen ihrer Lieben mit Urlaubsanfragen oder Hinweisen auf den oder jenen, der ebenfalls von der Ostfront „daheim sei“ gequält. Der Urlaub steht doch nicht in der Hand des einzelnen. Man führt ja auch nicht Krieg, um in Urlaub zu fahren. – Ihr schreibt vom Film, besucht Papa ihn eigentlich auch? „Ich klage an“ u. „Friedemann Bach“ habe ich während des Lehrgangs auf der Winterschule [?] gesehen. So einfach wie im ersten Film geschildert, ist das Problem nicht. Das „Leben“ als Idee u. Offenbarung gibt dem ganzen Sein ja erst Sinn. Nr. 2 Musikfilm, aber noch nicht ganz. Diesem Brief von 17.11 waren einige Zeilen v, Margot beigelegt. Ein Brief Mamas von 24.11. enthält sehr viele Beilagen: Hänsens Zeilen v. 23.10. (Daß sie ihm die Sporthose verweigert haben ist lächerlich. Ich glaube, ich würde saugrob.) Lottes v. 30.Okt u. 5.Mai, sowie eine Postkarte, Annes Zeilen v. 14.11, 2 Karten v. Margot, sowie Hänsens Tübinger Brief v. 19.11. u. die Seeckt-Beilage v. Herrn Schella, dem ich dafür gesondert danken werde. Ich glaubte, mich rühre der Schlag, als ich Gerdas Brief, 4-teiligen Brief, v. 23.11. erhielt. „Das gibt’s nur einmal“, (Hoffentlich „kommt es wieder“) herzlichen Dank. Das ist wirklich nett von Dir. Die Schilderung von der Mozart-Morgenfeier mit der […] in Alt gefällt mir besonders. Daß Dir Dein Schulmeisteramt liegt, glaube ich gern. Bei einer „satten“ [?] Erziehung!
Von Hans, der sicherlich vielbeschäftigt ist, erhielt ich einen Brief v. 23.11. Ich will ihn umgehend beantworten. Der Schrift nach muß er einmal eine Kapazität werden!
Außer andren Päckchen, die ich noch nicht öffnete, erhielt ich das Backpulver-Päckchen von 14.11., die Hustenbonbons v. 25.11., Kaffee-Kornfrank, und das Johannisgefäß Nr. 837 v 21.11. Letztere essen wir mit der heutigen Butterration zu Tee mit Rum. Wir feiern also ganz beachtliche Teeabende [?]. Für die 4 mit eingetroffenen Hefte, die ich zu diesem Brief gleich benutze, besten Dank. Der kürzlich geschickte Hand-Taschenoden – den ich noch nicht benötigte, hat mit seinem Innenteil gute Dienste als Teeei geleistet.
Ich schließe mit den besten Wünschen und herzlichen Grüßen an Euch alle. Grüßt Bekannte u. die beiden Mädchen.

Euer dankbarer Elmar

 

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