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Brief (Transkript)

Elmar Lieb an seine Eltern am 27.7.1941 (3.2002.7255)

 

Am 27. Juli 41.



Meine Lieben!

Ihr werdet mit Spannung einer Nachricht von mir entgegensehen. Vor einigen Tagen war wohl Gelegenheit vorhanden, einen kurzen Gruß zu schreiben. Allein die Feldpost konnte nicht befördert werden. Gestern u. heute aber hatte ich beim Brückenbau zu tun, es fehlte also, nachdem die Post wieder befördert wird, zunächst die Zeit. In überraschend kurzer Zeit haben nun unsere Soldaten unser Brückenstück fertiggestellt, so daß wir jetzt – Sonntagnachmittag – einige Stunden Zeit für uns haben. Sie sind gut, ja gedrängt ausgefüllt: Körperpflege, Sacheninstandsetzen, Waschen, Briefescheiben u. – sofern noch etwas übrig bleibt – Schlafen. Die vergangenen Tage waren interessant. Es bot sich Gelegenheit den russischen Soldaten, Offizier u. politischen Kommissar im Kampfe kennen zu lernen. Sie sind sehr hartnäckig – weit mehr als alle bisherigen Gegner – u. kämpfen oft fanatisch bis zur Selbstaufopferung, selbst aussichtslos scheinenden Kampf, ohne – auch eine ehrenvolle Übergabe dem Tod vorzuziehen. Die politischen Komissare bilden die unversöhnliche, hasserfüllte Seele des Widerstandes.
Mir selbst geht es sehr gut. Heute habe ich von einem Kameraden nahe der Brückenstelle in einem vom Feldzuge demolierten Hause zu Mittag geladen, sogar richtige Pfannkuchen bekommen.
Dazu brachte mir die Post verschiedene „süße“ Grüße von Euch. Zunächst ein Päckchen mit Keksen vom 7. April 41 Nr. 754 u. einer beiliegenden Zeile von Mama. „Herzlichen Ostergruß!“ Die Feldpost verdient doch ein Lob: Dieses Päckchen ging zunächst nach Frankreich, dann über […] nach Klagenfurt, von dort über Warthegau u. Generalgouvernement schließlich hierher – immerhin ein beträchtliches Stück nach Rußland hinein. Außerdem erreichten mich folgende willkommene Erfrischungen. Nr. 764 u. Nr. 765. u. Nr. 764b vom 5.7. u. 6.7. u. ein Brief Mamas vom 4.7. Für dies alles danke ich Euch herzlichst. Ihr braucht Euch also nicht um mich zu sorgen.
Die Schrift dieser Zeilen ist nicht besonders schön. Entschuldigt dies. Es ist in erster Linie auf die gegenwärtig doch recht ungewohnte Handhabung des Federhalters zurückzuführen.
Bitte sendet mir Folgendes:
x Socken (wir zerreißen bis zum Grade der Unheilbarkeit nämlich unheimlich viel)
Zahnpasta (Odol oder Chlorodont)
Zahnbürste (die härteste die es gibt)
[…] – ab u. zu Rasierklingen

Mit herzlichem Dank u. den besten Grüßen u. Wünschen für Euch alle

Euer dankbarer Elmar.

x Fußlappen lassen sich in Offz-Stiefeln nicht tragen. Unbrauchbaren Socken schneide ich den Fuß ab, so daß wenigstens die Wolle des Obersstücks erhalten bleibt.

 

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