Im Felde, 17.9.40.

Liebe Annerose!

Über Deinen Brief habe ich mich sehr gefreut. Herzlichen Dank dafür! Besonders gefreut habe ich mich über das herrliche beiliegende Bildchen. Ich habe mich vorige Woche hier fotografieren lassen und will Dir auch ein Bild, und zwar das erste und schönste, beilegen.
Über Deine Erfahrungen aus dem Luftschutzkeller mußte ich lachen. Ich glaube Dir, daß es darin nicht gerade schön und abwechslungsreich, besonders für Euch Mädchen ist. „C’est la guerre“, sagten die Franzosen.
Hier gibt es immer etwas Abwechslung. Am Samstag vor 8 Tagen waren wir Offiziere vom hiesigen Stadtkommandanten zu einem Kameradschaftsabend mit Abendessen eingeladen. Es gab dort allerlei Überraschungen. Als erstes gleich das Abendessen: An jedem Platz lag eine Karte mit dem „Befehl der Ortskommandantur“, wonach jeder Tischälteste zwei Essenholer von seinem Tisch bestimmen mußte,, die dann „auf Pfiff“ des Ortskommandanten an der Feldküche mit Kochgeschirren das Essen fassen mussten.
Nach diesem ersten Schlager kam die nächste Überraschung: Es kamen Soldaten, die sich als Sänger, Violinen= und Klaviersolisten alle Ehre machten. So war der Abend bei gutem Rotwein und guter Unterhaltung nett verlaufen. – Am darauffolgenden Sonntag mittags fand sich das gesamte Offizierskorps der Abteilung beim Kommandeur zur Gratulation zu dessen Beförderung zum Oberst ein. Auf dieses Ereignis mußte natürlich mit Sekt dementsprechend gefeiert werden. – Vergangenen Samstag war ich hier bei einem Gastkonzert des Berliner Philharmonischen Orchesters unter Leitung von Hans Knappertsbusch. Als Solistin (Sopran) war Rosalinde von Schirach dabei. Dieses zweistündige Konzert war ein wirklicher Genuß. Außerdem laufen hier jede Woche mindestens zwei deutsche Filme, sodaß man sich seine Freizeit schon etwas vertreiben kann. –
Zum Schluß wünsche ich Dir alles Gute und grüße Dich herzlichst Willy.