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Brief (Transkript)

Schwester an Adalbert Huber am 29.1.1943 (3.2002.7130)

 

München, den 29. Januar 43



Lieber Bertl!

Da ich gerade so schön Zeit habe, schreibe ich Dir einen lieben, aber nicht langen Brief. Es ist jetzt 17 _ Uhr und recht ruhig bei uns im Büro. Da ich heute Abend in einen Vortrag über Kind, Wachstum und Reifung in der Universität gehe, muß ich hier nachsitzen. Der Vortrag geht schon um 7 Uhr an und da rentiert es sich nicht mehr nach Hause zu fahren. Sonst geht es bei uns gut. Ob Trudl schon zurück ist, weiß ich noch nicht. Aber sicher habt ihr recht schöne Tage in Luckenwalde noch gehabt. Du hast uns ja einen schönen Schrecken eingejagt, weil wir glaubten, Du mußt gleich wieder weg. Lieber aber noch öfter den Schrecken und nicht die Tatsache. Wir sind um jeden Tag froh, den Du im Land sein kannst. Du selbst ja sicher auch. Was macht Dein Fourierdienst? Bist Du immer noch dabei? Schreibe uns doch einmal wieder, wenn auch nur eine Karte. Wir sind zwar auch nicht fleißig mit der Schreiberei. Für meinen schönen Geburtstagsbrief von Dir, habe ich mich, glaube ich, schon bedankt. Er hat mich schon sehr gefreut. Von unseren anderen Soldaten wissen wir gar nichts. Am Samstag wollen wir etwas backen und ein paar Päckchen verschicken. Dann kommt sicher wieder Nachricht. - Kürzlich hatte wir einen ganz verrückten Alarm. Von Dienstag auf Mittwoch, glaube ich, war es. Wir haben ja die Warnung wieder einmal nicht gehört, auch nicht, daß die Flak ziemlich geschossen haben soll. Nach dem ersten Alarm und der Schießerei hat uns Herr Hehl geweckt. Er ist jetzt Melder und nimmt sein Amt sehr gewissenhaft. Mama und ich hätten auch das Läuten nicht gehört. Papa war da wieder eifriger. Kurzum _ Std. nach dem Alarm hat uns Herr Hehl heraus geläutet. Wir haben uns dann angezogen und sind wieder in das Bett gegangen. Nach so einer guten halben Stunde haben wir ganz deutlich einen Flieger gehört. Die Fenster waren offen. Nach kurzer Zeit geht auch im Süden der Stadt die Schießerei los und zu gleicher Zeit setzte die Entwarnung ein. Das war eine Gaudi. Unmittelbar an die Entwarnung schloß sich die Warnung an. Jetzt sind wir also in den Keller mit einem Pack Kleidern am Arm. Ich war noch nicht ganz unten, kam schon wieder die Entwarnung. Da waren wir aber froh, und sind in das Bett gestiegen. Ob es ein feindlicher oder freundlicher Flieger war, auf den sie da geschossen haben, ist nicht bekannt geworden. Besonders feindlich wird er nicht gewesen sein, sonst hätten sie nicht gleich wieder entwarnt. Der Wehrmachtsbericht meldete schon einzelne Einflüge in Süddeutschland. In Lindau und Kempten hatten sie auch Alarm. Ob sie wieder über die Schweiz gekommen sind? Das war bisher das wichtigste Ereignis dieser Woche. Hoffentlich kommt nicht mehr zu viel nach. Jetzt heißt es, daß alle Frauen zw. 20 und 35 Jahren nach dem Osten müssen, da könnte ich ja auch dabei sein. Gut daß ich im öffentlichen Gesundheitsdienst arbeite, da ist die Gefahr doch nicht so groß. Es müßte schon eine neue Bezirksfürsorge gegründet werden, aber ich glaube, das hat noch Zeit. Jetzt ist alles gespannt auf den 30.1. und auf die Verfügungen aus dem totalen Krieg. - Bei uns zu Hause geht es auch ganz gut. Papa hat nun die Kommode fertig gemacht. Sie ist sehr schön geworden und steht in meinem Schlafzimmer. Sie paßt ja nicht ganz hinein, weil sie etwas zu groß ist, aber im Vorplatz steht der große Koffer vom Speicher, da hat sie auch nicht Platz. Ich freue mich schon auf das Einräumen am Sonntag. Da bin ich auch Dir zu Dank verpflichtet, sonst hätte sie Papa nicht gemacht. - Unser Strupp wird immer frecher, aber hergeben möchten wir ihn doch nicht mehr. - So nun weißt Du unsere Neuigkeiten wieder. Hoffentlich bleibst Du noch recht lange in Forst Zinna, dann haben wir doch eine Sorge weniger. Schreibe uns auch wieder und sei bis dahin recht herzlich gegrüßt von uns Dreien, besonders von Deiner Gustl. Den Brief nehme ich jetzt mit nach Hause und steck ihn morgen gleich am Zug nach Berlin ein. Mama kann dann auch noch einen Gruß dazu schreiben und auch Papa, wenn er in der Frühe noch Zeit hat. - Ein herzliches Gedenken - von Deiner Gustl.
Ebenso von Papa. Morgen sollen wir ja aus Berlin besondere Neuigkeiten erfahren, hoffentlich auch ein baldiges Kriegsende
Lieber Bertl! - Nun schreib ich Dir auch noch ein paar Zeilen. Gustl ist heute nicht in dem Vortrag gewesen. Sie ist also nicht gescheiter geworden. Der Vortrag war nicht. Da wollte sie in den Vortrag vom roten Kreuz fahren, derweil hat die Straßenbahnschaffnerin höchsten Voralarm ausgerufen. Da stellte sich heraus daß eine Rotkreuzschwester auf der Plattform das gesagt hätte. Nun ist Gustl gleich heimgefahren, und so ist nichts daraus geworden. Hier ist es schon 9 _ und ist noch nichts los. Alles ist ziemlich erregt wegen des morgigen Tages. 10 jährige Machtübernahme. Ich werde Dir morgen ein Päckchen mit Äpfeln schicken. Hoffent-lich erreicht es Dich noch. Ich hab mich so herzlich gefreut daß Trudl Dich noch hat besuchen können. Hoffentlich bleibst Du noch recht lange in Forst Zinna. Wir haben fast alle recht Sorge um Dich. Nun sei halt recht herzlich gegrüßt von Deiner Mama.

 

 



Ansicht des Briefes

 

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