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Brief (Transkript)

Adalbert Huber an seine Ehefrau am 17.8.1942 (3.2002.7130)

 

58. Brief, 17.8.1942



Liebe Trudi,

hier ist der Brief der mit dem Kurier heimkommen soll. Da möchte ich jetzt ganz was aufregendes schreiben, aber ich merk grad, daß es nicht so einfach ist. Wo ich bin, das hast Du ja schon erraten und wie die Dörfer heißen ist nicht so wichtig. Daß wir umziehen von D. nach P. usw. hab ich schon geschrieben, nur pressiert es momentan nicht mehr so. Gestern war viel los. Es sind bedeutende Verstärkungen gekommen und damit sind die Russen wieder zurückgedrängt worden. Die geben aber nicht auf, und wenn es ihnen im Sommer schon gelingt, wie soll es dann im Winter werden. Zum Glück war gutes Wetter und so konnten die unsern überhaupt kommen. Eine Zeit lang wird es schon wieder gehen. Die Russen sind aber motorisiert wie wir es sein sollten. Die haben Tanks und Raupenfahrzeuge bei denen das Wetter keine so große Rolle spielt. Das Benzin wird ihnen auch nicht ausgehen, denn bestimmt haben sie große Vorräte, sodaß es mit dem eroberten Süden nicht so arg viel auf sich hat. – Das war jetzt lauter Pessimismus und jetzt kommt das andere. Da fällt mir aber nichts mehr ein. Nun möchte ich eigentlich mit dem Brief aufhören. Vom Urlaub zu schreiben ist nun ein halbes Jahr zu früh, aber ein Markerl für ein Kilopaket und ein Luftmarkerl hoff ich heut vormittag noch zu kriegen. Wenn es stimmt, leg ich es bei, ein bisserl was ists auch. – Die Schießerei ist noch recht lebhaft. Unsere „Neue Waffe“ macht einen argen Lärm. Kamerad Erler sagt: Es kotzt sich der Höllenhund. Da gehen nämlich 6 Schüsse innerhalb von 2 Sekunden los und das tut nicht schön. Wie die Stalinorgel sich kotzt das wissen wir nicht, denn da bekommen wir nur die Einschläge zu hören. Die hat noch mehr Schuß auf einmal, ca. 40, dafür aber lassen die unsern gleich mehrere auf einmal bzw. kurz hintereinander losbrüllen. – Das war wieder nichts erfreuliches. Ich könnte Dir ja von den hübschen Mädchen erzählen, die es hier gibt. Die 2 Ssienna (die Betonung ist auf den ss am Anfang). Eine ist schwarz und eine blond und jede ist 13 Jahre alt. Die blonde ist ein reizendes Mädchen, weniger im Aussehen. Ich glaub das ist ein ukrainischer Typ, denn früher hat man mehr solche gesehen. Dann gibt es noch eine Olea. Die ist 18 Jahre alt und macht den besten Eindruck. Die arbeitet auch den ganzen Tag, was man hier selten trifft. Dieses Mädchen sehen wir dafür fast nie. Die kann einige Wort deutsch, bis jetzt aber haben wir ihr nur das Wort „mittelmäßig“ entlocken können. Da gibt es nämlich noch ein weiteres Mädchen, die „Tscherni Tschood“ Das soll heißen „Schwarzer Teufel“. Wir wollten wissen, was die für eine sei da meint die Olea: mittelmäßig. Meistens können sie mehr deutsch, als sie zugeben, denn deutsch mußten sie auch in der Schule lernen. Die wundern sich, daß wir gar nichts können. Das hätten sie nicht erwartet. Der Deutsche heißt hier übrigens Nemjetzki und übersetzt ist das „der Stumme“. Da haben unsere Vorfahren also auch nicht russisch gekonnt, sonst wären sie nicht zu dem Namen gekommen. Mithilfe der Wörterbücher lernt man mühsam das eine und das andere Wort. Wenn man endlich einmal die russische Schrift lesen kann, dann ist man ganz erstaunt, daß man es noch lange nicht richtig ausspricht. Die legen soviel Wert auf die verschiedene Betonung der Konsonanten. Das lernen wir nie. Eine Unterhaltung kommt auf diese Weise nie zustande. Wert darauf leg ich aber auch nicht viel, denn so 5 Meter Abstand soll man immer wahren wegen der Flöhe. Wanzen haben wir schon genügend im Zelt, Flöhe auch, nur die Läuse vermisse ich immer noch. Wenn wir aber dann im neuen Quartier im Haus schlafen werden, dann bleiben sie nicht mehr lang aus. Wenn man nämlich keine Läus hätt, dann könnte man nie ein Fleckfieber kriegen. Dagegen sind wir nicht geimpft, bis jetzt ist aber auch noch keiner daran erkrankt. Gegen Malaria essen wir täglich Chinin. Viele machen es nicht, weil es arg bitter ist. Mir ist aber diese Bitternis lieber als eine Krankheit. Gegen Ruhr, Cholera, Typhus und Pocken sind wir geimpft. Es kann uns dann auch nicht viel passieren. Der allgemeine und dauernde Durchfall, den alle fast haben, hat nicht viel auf sich. Es jammern fast alle, aber schlimm ist es nicht. – Jetzt bin ich wieder ganz von den Mädchen abgekommen. Der „Schwarze Teufel“ heißt Maria und ist hübsch, aber ein Luder. In den letzten Tagen hat man sie aber anscheinend zu den Erntearbeiten geholt, denn wir sehen sie nicht mehr. Dann kommen eine Reihe von Frauen so um 25 bis 35 Jahren mit viel Kindern. Da werden sie aber schon häßlich, wenn auch nicht unfreundlich. Unser Glanzstück aber ist die Matuschka. Das heißt eigentlich „Mütterlein“. So was böses hab ich überhaupt noch nicht gesehen. Die schimpft den ganzen Tag, ist alt und dreckig und häßlich. Ihr gehört anscheinend das Häusl in dem die beschriebenen alle wohnen. (Eine von den Frauen ist ihre Schwiegertochter). Eine überaus häßliche Stimme haben ja die Russinnen alle schon mit 20 Jahren, da kannst Du Dir vorstellen wie das mit 70 Jahren ist. Die ganze Gesellschaft ist aber harmlos, wie es die ländliche Bevölkerung durchaus zu sein scheint. Die Männer sind nicht da. In den Städten ist das sicher anders: wo die Parteibonzen wohnen. Nun hab ich Dir ziemlich viel Schmarrn geschrieben. In Wirklichkeit ist alles so traurig. Ganz Europa wird bettelarm und niemand hat einen Nutzen. Also auf irgendeine Weise werden die Herren schon einmal zur Einsicht kommen, aber wahrscheinlich erst, wenn es zu spät ist. - Nun grüß ich Dich recht herzlich und bin und bleibe
Dein Bertl.

 

 



Ansicht des Briefes

 

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