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Brief (Transkript)

Schwester an Adalbert Huber am 28.2.1942 (3.2002.7130)

 

Gustl an Bertl, Moosach, 28.2.1942



Lieber Bertl!

heute komme ich schreibmaschinengeschrieben zu Dir. Es ist Samstag Mittag 12 _ Uhr und zu einer Arbeit habe ich keine Lust mehr. Für Deinen letzten, langen Brief recht herzlichen Dank. wir haben uns alle sehr gefreut, insbesondere darüber, daß Du es doch etwas besser getroffen hast wie in Horb. Hast Du unser Paket an die Adresse Moser bekommen? In den nächsten Tagen geht nochmal eines weg. Wir wissen ja nicht, wie lange Du noch in Kaltenbrunn bist. Du mußt schon entschuldigen, wegen der Fehler sage ich nichts, aber daß das Farbband so mistig ist, kann ich leider nicht ändern. Ich schreibe immer einmal dick, dann wieder dünn. - Bei uns geht es soweit ganz gut. Schnee haben wir noch, allerdings ist er nicht mehr weiß, sondern dreckig und grau. In der Stadt wird es fast lebensgefährlich, wenn die Schneemassen von den Dächern kommen und dazu die Eiszapfen, die an allen Hausdächern hingen. In der Barerstr. wurde kürzlich ein Mann von dem Eis erschlagen. Seither ist der Befehl gegeben, daß die Dächer von Eis befreit werden müssen. Seit einigen Tagen taut es ständig. Heute Nacht hat es wieder etwas geschneit, es dringt nicht mehr durch. – Mattheis brichts Eis, hat er keins, so macht er eins. – Kunigund bringt d’Wärm von unt. – Kennst Du die Sprüchlein noch? Also – am 3.3. ist Kunigund. Wie kürzlich der starke Schneefall war mußte ich in Türkenfeld Hausbesuche machen. Um 11.50 U. war Abfahrtszeit, um 3 Uhr sind wir hinausgekommen, zwei Stunden Verspätung und zurück wieder _ Std. Alles war verweht. Die ganzen Züge auf der Strecke waren eingestellt. Nach Wörishofen zu kommen war ganz unmöglich, tagelang war das Bähnlein eingeschneit. Selbst der Schneepflug ist steckengeblie-ben. In Oberaudorf hatte es 1 1/2 m Schnee. Die Leute dort behaupten, daß sie seit 1879 nicht mehr soviel Schnee wüßten. Türkenfeld ist übrigends ein nettes Dorf. Ich habe sogar bei den Schloßbewohnern Hausbesuch gemacht. Nächste Woche will ich in Pasing Hausbesuche machen und dann anschließend zu Trudl gehen. Papa war ja kürzlich mit Annemarie Fausthart draußen. Hat Annemarie ihr Versprechen eingelöst und Dir schon geschrieben? So war sie sehr nett, nur furchtbar viel gesprochen hat sie, sodaß Mama bald nervös geworden wäre. Übrigends muß ich Dir da gleich erzählen, was kürzlich ein Berliner für eine Bemerkung gemacht hat. Er sagte: „Ein Bayer ist der mißglückte Versuch aus einem Ostmärker einen Preußen zu machen.“ Ist das nicht unverschämt? Der wurde aber auch gleich richtig niedergetrumpft. Ich glaube, der hat nicht mehr viel derartige Bemerkungen gemacht. - Papa und Norbert haben bisher noch Kohlenferien gehabt. Montag soll nun die Schule endgültig beginnen, zum Leidwesen Norberts. Gestern Abend ist Felix wieder gekommen. Er hat sich auch den Samstag frei genommen, damit er heute Wolfi besuchen kann. Felix rechnet jeden Tag mit seiner neuen Einberufung. Nachmittags wollen wir zusammen in die Stadt gehen, da Felix für Fanny ein Namenstagsgeschenk kaufen will. Das wird allerdings sehr schwer sein. Gerade Geschenke zu kaufen ist jetzt ein Kunststück. - Außerdem allen bitte ich mir Respekt aus. Ich bin jetzt auch etwas und bekomme vielleicht sogar zwei blaue Sterne, wenn ich inzwischen nicht wieder abgesetzt werde. Gestern Abend haben sie mir beim Roten Kreuz Appell ganz einfach das Amt einer Gruppenführerin zudiktiert. Nun ist aber die Gruppe nur 12 Mann stark und davon kommen vielleicht drei in den Appell, sodaß sehr zu befürchten ist, daß die Gruppe wieder aufgelöst wird und ich dann wieder abgesetzt bin. Soll ich da nicht traurig sein? Du solltest meinen Eifer und Ehrgeiz gesehen haben, mit dem ich mich in die Sache stürzte. Du weißt ja, daß ich immer schon ein eifriges Mitglied gewesen bin. Weißt Krankenpflege würde ich ja wirklich gerne machen, aber Suppen kochen in der Bahnhofsküche gefällt mir weniger. Aber ja, für die Soldaten tun wir es ja auch wieder gern. - So nun weißt ich bald nichts mehr. Inzwischen ist es 10 Min. vor 13 Uhr geworden. Du kannst Dir also ausrechnen, wieviele Anschläge ich in der Minute gemacht habe. Zweifingersystem – bitte – ganz groß. Drei Minuten darfst Du für ein Zwischengespräch abrechnen. Sonst war die ganze Zeit Dir gewidmet. Nachdem ich bis um 2 Uhr nachsitzen muß, weil Felix nicht eher von Germering kommen kann, will ich jetzt dann anschließend Trudl anrufen und ihr sagen, daß Centa am Mittwoch zu ihr kommt. - Nun weiß ich wirklich nichts mehr. Ich hätte doch nicht engzeilig schreiben sollen, dann wäre der Bogen voll geworden. Norbert macht es auch immer so, wenn es heißt, er muß eine Seite schreiben. Er denkt, wenn er es weit auseinanderzieht, dann geht es schneller. - Letzten Samstag auf Sonntag hatten wir übrigends wieder einmal einen _ Stunden dauernden Fliegeralarm. In der Würzburger Gegend sollen sie gewesen sein. Die Hauptsache ist, wenn sie uns in Ruhe lassen. Alle 2 Monate einmal können wir ja gerade noch aufstehen, noch dazu wenn sie uns persönlich in Ruhe lassen, d.h. unsere Stadt verschonen. - Jetzt ist es Punkt 1 Uhr. Feierabend. - Nun grüß ich Dich herzlich und wünsche Dir weiter alles Gute. Hoffentlich kommt Ihr nicht zu bald fort. Hast Du Bachlmeier Karl schon gesehen? Schreibe mir bitte bald, ob Du die Pakete erhalten hast. Mama fürchtet schon immer, Du kriegst sie nicht. Auf ein frohes, gesundes und baldiges Wiedersehen und herzliche Grüße - Deine Gustl

 

 



Ansicht des Briefes

 

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