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Brief (Transkript)

Günter Stegmann an seine Eltern am 18.3.1945 (3.2002.1298)

 

Quedlinburg, den 18.3. (1945)



Meine lieben Eltern!

will Euch heute nachmittag wieder einige Grüße senden. Ich habe nichts vernünftiges mehr zu lesen, zum Skatspielen habe ich keine Lust, die beste Gelegenheit einen Brief zu schrieben. Mir geht es nach wie vor recht gut, bis mittag hatte ich Wache, es war wohl die ruhigste, die ich bis jetzt gemacht habe. Des abends als die Nachtverstärkung kam, gingen wir 3 nach Haus. Morgens ließen wir uns erst wieder dort sehen; hatten unsere Ruhe dort, während der meisten Postenzeit saßen wir in der Bude. Man darf sich allerdings nicht dabei kriegen lassen. Die letzten Tage habe ich recht nett verbracht, bin zu einem Sonderkommando eingeteilt gewesen. Mit 6 Mann waren wir weit ab vom Schuß, mittags haben wir fast immer schon Feierabend gemacht. So konnte ich mich damit beschäftigen, was mir am meisten Spaß macht. Auf der Wache habe ich nun heute vormittag ein Buch wieder durchgebracht, und muß mir nun Montag erst wieder etwas Neues besorgen.
Schade, in der nächsten Woche wird es wohl mit der Ruhe in so großem Maße wieder vorbei sein. Besser für die, die mit Ihrer Freizeit nicht wissen, was sie anfangen sollen und dann nur das Spinnen beginnen.
Jetzt sitze ich nun wieder in der Kantine, hier ist es immer noch besser, als in diesem Stall dort oben unter dem Dach, das hat aber auch diesen Vorteil, dort oben stört man uns kaum, vor allem bei Fliegeralarm abends und nachts ist das wichtig, wenn abends gegen 8 Uhr die Sirene heult und das Licht ausgeht, legen wir uns ins Stroh zum Schlafen, eine Entwarnung habe ich noch nie gehört. Unten in den Stuben ist dies schon weniger möglich.
Hier ist immer ziemlich Betrieb. Vor allem unser Haufen ist immer reichlich vertreten. Meistens spielt auch noch das Radio, was den Aufenthalt noch ein wenig angenehmer macht. Bis jetzt war es außerdem der einzige Raum der geheizt wurde und deshalb immer reichlich voll war, das ist nun nicht mehr nötig. Denn es ist nun einigermaßen warm genug, wenn auch heute die Sonne hinter den Wolken verschwindet. Hier ist eine sehr windige Ecke, meistens ist es reichlich windig, die Sonne kommt doch ziemlich selten zum Durchbruch.
So sitzt man nun hier, träumt ab und zu von Wunschträumen besserer Zeiten, die schönen Melodien verleiten nur zu sehr dazu, vielleicht sitzt auch Ihr dort gemütlich zusammen. Wie oft habe ich all diese Lieder die jetzt in diesem Zeitraum, da ich diese Zeilen schreibe, erklingen, gespielt. Heute kann ich sie nicht mehr, wieviel schöner wäre es, wieder einmal sie glücklich spielen zu dürfen, in einem Zimmer, daß nicht kahl und leer ist, sondern das Gemütlichkeit und Fürsorge fraulicher Hände atmet. Aber auch aus diesen Träumen wird wieder einmal Wirklichkeit, bis dahin muß man auch der heutigen Zeit die besten Seiten abzugewinnen suchen. Sich nicht von Stimmungen unterkriegen lassen, noch viel weniger von Äußerlichkeiten ist heute das Wichtigste. Nun ich werde mich in acht nehmen, nie meine gute Laune zu verlieren. Eine ganze Portion Gleichmut gehört allerdings dazu, alles mit guter Mine anzusehen und wenn es manchmal auch schon ziemlich dick kommt, aber wer von uns kleinen Lichtern ist Herr über sich selbst. Wenn es irgendwem beliebt kann er uns verkaufen und verraten, wer kann ihn daran hindern, und wenn es einer wagen würde, eine Kugel würde sich für ihn finden. Es wäre auch nicht schade um diesen, seine Kameraden zu verlassen, noch dazu jetzt wo es um alles geht, wo es kein zurück mehr gibt, wo wir entweder alles gewinnen, oder alles verlieren.
Auch diese letzte Zeit wird vorrüber gehen und dann wird es wieder besser werden und eines Tages werden die Schatten wieder von glücklicheren Zeiten verdeckt, und wenn keiner daran glaubt, ich glaube daran. Es muß und wird wieder werden. Nach all diesen Leiden werden die Freuden genauso zu ihrem Recht kommen. Es ist nur wichtig, daß man das Dilemma so gut wie möglich, mit heiler Haut und gesundem Mut überlebt.
Nun habe ich aber genug geplaudert. Soviel habe ich schon lange nicht mehr geschrieben. Wie geht es Euch daheim, schon lange habe ich keine Nachricht mehr, doch ich hoffe, daß Ihr noch gesund und munter seid.
Ich möchte nun schließen, möchte noch ins Kino gehen, meine Kameraden sind schon voraus um mir einen Platz freizuhalten.
Für heute grüßt Euch alle recht herzlich, Euch auch weiterhin alles Gute wünschend
froh und munter
euer Junge

Viele Grüße auch allen Verwandten und Bekannten

 

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