O.U., den 18.8.44

Meine Lieben!

Ein „herrliches“ Leben führen wir hier. Den ganzen Tag über nichts tun und bald umkommen vor Langeweile. Das ist unsere Beschäftigung. Wenn man wenigstens was nettes zu lesen hätte, oder sonst etwas schönes beginnen könnte. So aber liegen wir den lieben langen Tag herum, und sind schließlich sogar noch zu faul, auch nur den kleinen Finger zu rühren. Wenn wir bloß erst wieder hier weg wären.
Es ist alles ganz schön und man kann sich nicht beklagen, aber zu was sind wir denn eigentlich da?
Ein Teil ist nach Kastrup gefahren, eigentlich ohne zu wissen warum, aber bei der Fahrt usw. geht doch eine ganze Weile um, und kosten tut’s ja nichts, mit dem Omnibus durch die Botanik zu fahren. Auf der Jagd nach irgendeinem Ereignis, was die Zeit wieder etwas besser verrinnen läßt. Man geht des Abends spazieren, geht kegeln, um wenigstens nach Feierabend irgend etwas zu tun, denn richtig munter werden wir erst am Abend.
Ja so geht es uns hier, um uns kümmert sich nur der Spieß denn wir gehören sozusagen zum Stamm. Wir sind bis jetzt direkt als die Alten angefaßt worden. Wenn daß so weiter geht dann verschloten wir noch völlig, na mir soll es recht sein. Um so besser machen wir uns im Zivilrock, wenn es vielleicht ‚mal’ soweit sein sollte.
Ihr wolltet gerne Schuhe haben, daraus wird wohl nichts werden, denn hier hat man inzwischen fast alles rationiert. Es gibt kaum etwas ohne, Ihr könnt Euch denken, daß wir daher auch nicht mehr so mit unseren Kronen geizen; morgen werde ich wahrscheinlich in die Stadt fahren, um wenigstens noch etwas Geld zu verwerten. Denn wir haben in diesen 8 Tagen das Geld ziemlich locker in der Hand gehalten.
Wie geht es Euch dort? Aus den letzten Alarmen seid Ihr doch hoffentlich recht gut herausgekommen. Was macht unsere kleine Gitti, hat sie jetzt nicht noch mehr Langeweile? Im Übrigen hoffe ich, daß Ihr alles recht gesund seid.
So grüßt Euch für heute recht herzlich euer
Günther