OU, den 13.10.43

Meine lieben Eltern!

Wir sind hier gut angekommen. Ein regelrechtes Schlaraffenland hat uns aufgenommen. Es gibt hier nichts, was es nicht gibt. Heute morgen war das erste, daß wir einen halben Liter Milch tranken. In der Kantine gibt es einfach alles, was das Herz begehrt. Wir haben fast alle Durchfall von dem vielen Obst und all dem anderen Kram.
In der Stadt soll es noch alles geben, was man sich überhaupt denken kann. Aber leider wachsen auch hier die Bäume für uns nicht in den Himmel, denn es fehlt an Geld, die paar Kronen, die es gibt reichen natürlich lange nicht aus, um große Sprünge machen zu können. An der Grenze haben wir 10 Mark einwechseln können. Sie sind schon fast all. Es ist einfach fabelhaft, wie in einem Märchenland. Soeben haben wir einen richtigen Haarbesen bekommen für den Stubendienst. Allerdings liegen wir wieder in Baracken, sie sind ja erheblich besser, dann ist es auch ziemlich eng hier, aber alles Gute ist nie beisammen.
Wir sollen auch hier wieder wegkommen, auf einen Arbeitsplatz nach Deutschland. Die Fahrt hierher war ordentlich. Ab Warnemünde fuhren wir mit der Eisenbahnfähre und dann ab Gedser wieder mit der Bahn, es war herrlich. Jetzt sitzen wir und futtern, futtern, daß uns bald der Magen platzt. Ein großer Teil hat erstmalig die Verpflegung nicht geschafft. Ich habe dicker Wurst und Butter geschmiert, als Brot dick war, den Kuchen habe ich mit Butter und Marmelade belegt. Das ist schon bald zuviel an Verschwendung. Solltest Du nun, liebe Mutter, Wünsche haben, so will ich versuchen es zu besorgen. Eine Handtasche sollst Du haben, sie kostet etwa 60 – 80 Kronen, das ist rund ein Monatsgehalt.
Habe ich meinen Füllfederhalter dort gelassen? Ich kann ihn nicht finden, wenn nicht, schickt mir bitte im 100 gr. Päckchen einen anderen. 14 – 18 Kronen für einen Neuen möchte ich sparen.
Im Brief schickt mir bitte ein paar 1 oder 2 RM Scheine, aber höchstens für 10 RM.
Recht herzlich grüßt Euch
euer Günther