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Brief (Transkript)

Georg Splettstößer an seine Ehefrau und Kinder am 6.6.1943 (3.2002.1295)

 

6. Juni 43


26
Liebst Frau u. Kinder!

Eigentlich müßte ich ja schlafen gehen, um 6 Uhr morgens, doch erstens bin ich noch ganz wach u. zweitens ist’s so ein wunderschöner Sonntagmorgen, daß es mich zu schade dünkt. Nebenbei koche den Kaffeex für den genesenden Kameraden. Du kommst zu Deinem Brief u. so ist allen Teilen geholfen. Habe allerdings erst knappe 2 Stunden geschlafen die Nacht, von 2 - 4, aber ich habe heut einen schönen Dienst, komme nur noch einmal dran zur Wache von 12 - 14 und dann frei bis 20 Uhr, wenn nichts dazwischen kommt. Gestern kamen die 2 Päckchen an, Seife, sie riecht nach Kultur, u. Turnhose. Abends wird wieder ein Schwung Briefe da sein. Iwan hat uns seit dem letzten Feuerüberfall in Ruhe gelassen, u. augenblicklich ist’s wie im tiefsten Frieden, nur ab u. an bellen M.G. doch da kann man sich einbilden, es wäre auf irgendeinem Übungsplatz. Gestern ist ein russ. Major übergelaufen, er sagt aus, daß es drüben nichts mehr zu fressen gibt u. folglich der Krieg in 6 Wochen beendet ist. Ich gebe aus derlei Aussagen von Überläufern nichts. Und die Landser - sie spinnen u. bringen Parolen auf, es ist hier so wie in Frankreich. Mal kommt uns. Div. nach Serbien, gestern hieß es, wir kommen nach Italien. Von wo die das all her haben. So, der Kaffee ist fertig. Wenn ich des Nachts hinter dem M.G. stehe, brenne ich drauf, Iwans Spähtrupp zu zerreißen. Manchmal werden sie von unsern vordersten Stützpunkten beobachten, wie sie über den Donez setzen, es wird uns sofort gemeldet u. dann heißt es, erhöhte Aufmerksamkeit, wenn wir abends durchs Gelände ziehen zu den Stützpunkten. Mußt Dir eine unendlich große Wiese vorstellen, nicht so lieblich wie daheim, wild u. hoch wuchern dort die Gräser, [...] vertrocknete Gräser aus dem Vorjahr dazwischen, wenn man hier durchpilgert, so knacken sie wir dürres Holz. Manchmal auffallend dunkle Grasbüschel, dahinter liegt bestimmt ein Rußki, er ist ja bekanntlich Meister im Tarnen und das übrige Gelände bietet ihm jede Möglichkeit dazu. Wie oft mögen wir schon an den Brüdern vorübergezogen sein, nur hat er es nicht gewagt, auf uns zu feuern, denn erstens ist es doch abends doch ziemlich schwer, etwas zu treffen (nur gut, daß ein Mensch doch nur ein winziges Pünktchen im Gelände ist) u. zweitens hat so ein Spähtrupp andere Aufgaben als sich in einen Feuerkampf verwickeln zu lassen. Nur wenn eben nicht mit [...] geht, gibt’s gegenseitig Dunst. Wie gesagt, seit einigen Tagen haben wir Ruh vor diesen verfluchten Granaten, nur Artillerie tastet sich gegenseitig ab. Es ist doch ein beruhigendes Gefühl, wenn die eigenen Granaten über uns weg zum Gegner heulen. Nach Ludwigs Schreiben scheinen sie in Hbg. doch gewaltig aufgeräumt zu haben. Ja, mein liebes Muttichen, es war doch eine schöne Zeit, als wir noch gemeinsam loszogen, erst mit Gerd, später mit beiden Spatzen, Türe auf u. zu. weißt noch, wie der Gerd lief von einem Zaun zum andern u. mit welcher Geduld ich ihn gewähren ließ? Und nun wiederholt sich das Spielchen mit der Süßen u. der Gerd wird dann den Vati vertreten u. ihr alles zeigen. Schade, daß ich das alles nicht mitkriege. - Dieser Bogen ist schon von Dir, vorläufig habe ich genug Papier. Ich sitze draußen im grünen Garten mit nacktem Oberkörper und laß die Sonne dran. Nun werde ich Kaffee trinken u. dann in die „Heia“ gehen. Nachm. wird dann nochmals gewetzt. Die Obstbäume haben sehr schön geblüht, doch es ist sehr wenig dran, eine Sorte Bäume ist total kahl gefressen von entsetzlich viel Raupen. Gab’s auch dort viel Maikäfer? Nächsten Sonntag ist Pfingsten, kann mich nicht erschüttern, man hat’s bereits verlernt Unterschiede zu machen zwischen Sonn= Fest= u. Alltagen. Nun, mein geliebtes Frauchen, bleib gesund u. werde noch mehr u. sei zusammen mit den Süßen innigst geküßt vom
Vati.
Iwan bearbeitet uns lebhaft mit Lautsprechern, speziell wendet er sich an die Ostmärker. + Schuschnigg soll ja auch in letzter Minute Moskau angerufen haben über den Rundfunk, einige Zeit [?] später ist der Sender besetzt worden von Naz.Soz.

 

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