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Brief (Transkript)

Georg Splettstößer an seine Ehefrau und Kinder am 9.5.1943 (3.2002.1295)

 

Rußland, den 9.5.43



Liebes Muttichen u. Kinder,

vor allem denke ich heute an Dich, mein lieber Gerd, Du bist heute vier Jahre alt und Vati kann nicht bei Dir sein. Bleibe schön gesund und werde ein anständiger großer Junge. Habe eben Mittag gegessen, es war ein Geburtstagsessen, sogar Götterspeise hat es gegeben. Unsere Madka tut mir leid, denn der Mann ist in Stalingr. gefallen, nun steht sie da mit den 3 Kindern. Ihre Sonnenblumenkerne sind alle. Neulich sah ich die Kleine (1 Jahr) an einer gekochten Kartoffel knabbern, sie fiel ihr einige Male in den Dreck, aber immer wieder angelte sie danach u. aß weiter. Sowas kann ich immer nicht sehen, gestern habe ich mein Abendbrot draußen vor der Tür verzehrt, da kam der vierjährige Junge u. schaute so bittend, nicht etwa verlangend oder frech, daß ich eine Scheibe Brot nahm, etwas Butter raufstrich u. sie der Madka gab für die Kinder. Es ist mir der schönste Lohn, wenn ich einen dankbaren Blick auffange. Heute gab ich ihr einige Kartoffeln u. für die Kleine etwas Götterspeise. Nicht etwa wie ich übersättigt war oder sie mir nicht schmeckte. Ich kann anders handeln u. ich frage mich manchmal, ob alle Kirchenschnellläufer auch immer so handeln. Und trotzdem, die Kinder sind gesund u. kräftig, es sind eben Naturkinder. Du solltest nur sehen wie sie leben, sicher haben sie früher besser gelebt. Heute gab’s schon wieder 3 Eier (unlängst 5 Stck.) ferner Marketenderware u. zwar 50 Zigaretten und ein Paket Tabak. Du siehst ich verderbe nicht. Auf der vorgestrigen Karte bat ich um Kuchen, was meinst Du, kann ich nach 14 Tagen noch essen? Ich denke doch, ja! Denn der Kartoffelkuchen ist doch immer etwas feucht. Heute wurde uns eröffnet, daß wir sofort um unser Dorf (Tscheppel) eine Verteidigungsstellung bauen, d.h. also, daß wir noch längere Zeit verweilen u. die Stellung unbedingt halten müssen. Wir rechnen nämlich mit einem Angriff der Sowjets. (Madka geht eben vorüber u. lächelt, sie ist ungefähr 36 Jahre alt, mir kommt’s so vor, als hätte sie mich ganz gern). Es sind nicht mehr viele Frauen u. Mädchen hier (der Russe hat alles mitgeschleppt) und doch haben sich 6 Landser den Trio geholt, aber nicht aus unserer Komp. Hätte nicht geglaubt, daß die Frauen auch hier schon so verseucht sind. Ich bin ja auch kein Kostverachter, aber wenn ich den Kopf schüttele, dann ist nischt! Es ist doch verdammt heiß hier, wie wir trinken, hier geht’s ja noch, man kann sich Kaffee u. Tee kochen, aber wie soll es werden, wenn wir erst mit einer Feldflasche auskommen müssen. Sag mal, gibt’s bei Euch in der Heimat nicht so ein Pulver zum Herstellen von Limonaden? Wenn ja, dann schicke bitte! Bin nun gespannt, wie lange dieser Flugfeldpostbrief läuft, es kommt eben drauf an, wie hier die Annäherung an die Flugstation möglich ist. Lege 10.- Reichsmark mit rein (Kreditscheine)

10.5.43 10 Uhr vorm.
Bin eben aufgestanden, damit der Brief heute Mittag mitgeht. Träumte, auf dem Komp.-Gefechtsstand hätte man mir nach Einsicht meiner Papiere erklärt, daß ich ja noch 3 Wochen Urlaub zu beanspruchen hätte, Gleich wurde er Urlaubsschein ausgeschrieben, dann wachte ich auf u. war wütend. Übrigens, wenn man einen Panzer vom Iwan erledigt, gibt’s 4 Wochen Sonderurlaub, also wollen wir mal sehen, was sich machen läßt. Aber hier wird er kaum mit Panzern kommen, da das Niemandsland zwischen ihm u. uns ziemlich sumpfig ist. Als wir gestern Abend auf Posten standen, hörten aus einiger Entfernung Schüsse u. Schreie. Heute früh vernahmen wir dann, daß ein feindl. Spätrupp eine Feldküche von uns überfallen hatte. Der Rest uns. Komp. wurde alarmiert, absuchen des Geländes erfolglos. 2 Pferde tot, 2 Mann tot u. 2 verwundet, den 5. haben sie mitgenommen. Hör mal ich wollte mein ganzes Geld schicken, aber es ist wohl besser, wenn man einige Märker bei sich hat. Heute bekommst Du also 10,- RM, eine Marke für Luftfeldpost u. 2 Zulassungsmarken. Ich werde dann ja an dem Luftfeldpostbrief sehen, daß Du in den Besitz dieses Briefes gekommen bist. Sonst gehts mir gut, entwickle hier einen regen Appetit, so daß das halbe Brot täglich man so reicht. Lebt nun wohl, meine 3 liebsten Menschenkinder, laßt Euch umarmen und innigst küssen von Eurem fernen
Vati.

Habe die ganze Nacht an Euch gedacht, denn nach dem Vorfall wurden die Posten verstärkt u. so gab es keine Ablösung. Der Brief ist schön voll, was?
Der Luftfeldp-Brief darf nicht schwerer als 10 Gr. sein, deshalb lege ich lieber nur 5,- RM rein!

 

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